Das Reich der Geister und der übernatürlichen Wesen.


Originalauszug aus dem Buch

„Von einem unbekannten Volke in Deutschland“

veröffentlicht 1911 von

Ernst Seefried-Gulgowski

 (Hier abgedruckt als Nebenprodukt meiner privaten Heimat- u. Familienforschung)

 

Heinzelmännchen, Alp, Doppelgänger, Vampir, Irrlicht, Teufel.

 

Der Glaube an Geister und übernatürliche Wesen ist nicht nur ein Privilegium des einfachen Landmannes, dessen Verstand wenig entwickelt ist, sondern er ist in allen Schichten der Bevölkerung zu finden. Und er wird auch bestehen, solange ein Funken Phantasie den Menschengeist belebt, solange wir nicht zu bloßen Verstandes- und Vernunftautomaten herabgesunken sind. Es wäre jammerschade um die Welt, wenn nur der nackte Verstand zur Herrschaft käme, der nur an der toten geistlosen Äußerlichkeit hängt. Der Verstand ist Seelen- und Gottesläugner. Er erkennt nur die mechanische Beschaffenheit der Dinge zueinander an, nur das, was er mit seinen Sinnen wahrnehmen kann. Alles, was außerhalb seines Begriffsvermögens liegt, wirft er beiseite. Es existiert nicht für ihn. Die Phantasie hat hier keinen Spielraum. Sie ist tot.

Im schroffsten Gegensatz zu diesem kalt berechnenden Verstande steht nun der Aberglaube. Bei ihm gibt es nichts Unmögliches. Es lebt alles in seiner Phantasie. Was er denkt, träumt, sich vorstellt, hat bei ihm Gestalt und Leben. Es gibt für ihn nichts Totes im Weltraum. Alles bevölkert seine lebhafte Phantasie. Abstrakte Begriffe existieren für ihn überhaupt nicht. Es ist aber kaum zu erwarten, daß der Verstand jemals den Sieg über den Aberglauben davontragen wird.

Auch der Geisterglaube hat seine Entwickelung erfahren. Seine höchste Stufe hat er wohl in dem Spiritismus und ähnlichen Errungenschaften erreicht. Doch seinen Ursprung müssen wir beim Volke suchen, und zwar bei jenen Menschen, die in einsamen Gegenden wohnen und von unserer modernen Kultur möglichst unberührt geblieben sind. Sie stehen mit ihren Anschauungen dem Urmenschen am nächsten. Zudem neigt ein Volk, das in waldreichen, unfruchtbaren Gegenden wohnt und auf Jagd und Fischerei angewiesen ist, sehr stark zum Aberglauben. Es ist verständlich, daß es sein Glück oder Unglück dem Einfluß übernatürlicher Kräfte zuschreibt.

All die Vorbedingungen für einen tiefgreifenden Aberglauben sind bei dem kaschubischen Volksstamme vorhanden. Dazu kommt noch, daß die Leute geneigt sind, den Naturobjekten Persönlichkeit zuzuschreiben. In ihren Sagen und Märchen lebt alles. In früheren Zeiten wuchsen sogar die Steine. Die Himmelskörper sind bevölkert. Die Sterne weinen, und selbst die Krankheit denkt man sich personifiziert.

Der undankbare Acker, die Neigung zur Fischerei und Jagd schließen viele Zufälligkeiten ein, die man nur zu gern dem Einfluß böser oder guter Geister zuschreibt. Es muß dann auch Menschen gaben, die mit den Geistern in naher Verbindung stehen. solange sich der Aberglaube in harmlosen Grenzen bewegt, wäre es töricht, gegen ihn anzukämpfen. Er ist eine natürliche Begleiterscheinung der äußeren Verhältnisse.

Die Arten der Geister und der übernatürlichen Wesen, die man unter dem Volke kennt, sind ziemlich zahlreich. Es gibt: Heinzelmännchen (krosniata), Alp (mora), Doppelgänger (sobotwor), Vampire (wieszczy), Irrlicht, Teufel, Hausgeister, Seelen der Abgeschiedenen, Schutzengel.

 

 

Die Heinzelmännchen.

 

Der Glaube an Kobolde, die man in die Reihe der Hausgeister zählt, ist uralt. Die Mythologie des heidnischen Altertums weiß schon davon zu erzählen, und man führt sie wohl auf die Kinderopfer zurück. Diese Geister erscheinen in der Regel in der Gestalt kleiner Kinder, wie schon die Namen Puck, auch Pück, Hänschen, Heinzchen, grüner Junge (Kuhn, Märkische Sagen) andeuten. Sie tragen mit Vorliebe rote Kleider, Hosen, Jacken, Kappen, Hüte, Strümpfe, Schuhe, weshalb der Kobold in der Sagensammlung von Gebrüder Grimm „roter Junge“ genannt wird. Es sind meistens harmlose, lustige Gesellen, den Menschen wohlgesinnt. Sie helfen ihm bei der Arbeit, wie es in dem Gedichte „Die Heinzelmännchen“ von A. Kopisch so schön ausgeführt ist. Doch hat man sie auch gesehen, wie sie sich unbemerkt spielenden Kindern anschließen, um an dem munteren Treiben teilzunehmen. Aber in den „Deutsche Sagen“ von Gebrüder Grimm werden sie auch als häßliche, blutgierige Wesen geschildert. Man hält sie für die Seelen der kleinen Kinder, die im Hause ermordet wurden. Es wird in zahlreichen Sagen (Grimm, Bechstein) hervorgehoben, daß man dort, wo die Kobolde ihr Wesen trieben, später Särge und Kindergerippe gefunden hat, besonders in Burgen, Wällen, Häusern, Kellern.

Die Sagen von den Heinzelmännchen haben sich bis auf die Gegenwart unter dem Volke erhalten. Auch die Leute der Kaschubei wissen davon zu berichten.

Die Heinzelmännchen (krosniata) sind kleine, mit roten Mäntelchen bekleidete Wesen, männlichen, auch weiblichen Geschlechts; heiraten untereinander, feiern Hochzeiten, Kindtaufen, führen Namen, wie die Menschen. Sie essen und trinken aus silbernen und goldenen Gefäßen. Ihr König trägt eine goldene Krone in der Form eines Apfels.

Sie leben gesellig in alten Ruinen, Burgen, in Steinhaufen, unter Bäumen, in Häusern unter dem Kamin in der Asche. Sie sind in der Regel häßlich mit alten Gesichtszügen. Sie leben bedeutend länger als der Mensch. Sie sind sterblich, obwohl sie über tausend Jahre alt werden. Man hat häufig gesehen, wie sie ihre Toten begraben. Eine Seele haben sie jedoch nicht.

Es sind meist lustige Gesellen, welche die Musik leidenschaftlich lieben. Ihre Instrumente sind lange, dünne Trompeten. In der Nacht führen sie oft Tänze auf.

Nach dem Glauben des kaschubischen Volkes sind die Heinzelmännchen den Menschen feindlich gesinnt. Sie stehlen die kleinen, ungetauften Kinder oder tauschen sie um. Um das zu verhindert, legt die Hebamme dem Neugeborenen einen Rosenkranz um den Hals.

Trotzdem gelingt es den Heinzelmännchen, sich des Kindes zu bemächtigen, wie folgende Fälle zeigen.

In. W. bemerkte eine Mutter, daß ihr neugeborenes Kind sich über Nacht vollständig verändert hatte. Die Gesichtszüge waren alt und häßlich wie bei einem Greise. Die Frau war darüber sehr unglücklich, lief zu der „klugen Frau“ und klagte ihr Leid.

„Die Erdmännchen haben euer Kind umgetauscht“, gab das Weib zum Bescheide. „Ihr könnt euch selbst davon überzeugen. Gebt dem Kinde drei Tage nichts zu essen. Dann kocht allerhand ungenießbare Sachen, als Holzstücke, Stiefelsohlen, kleine Steine, bereitet es wie eine Speise zu, stellt es dem Kinde hin und beobachtet es aus einem Versteck.“

Die Mutter tat so, wie ihr die „weise Frau“ geraten hatte.

Als das Kind sah, daß niemand im Zimmer war, stand es auf und begann zu essen. Nach einigen Bissen legte es jedoch den Löffel fort und sagte: „Tausend Jahre bin ich alt geworden, aber eine solche Speise habe ich noch nicht im Munde gehabt.“ Dann schlüpfte es wieder in die Wiege.

Die Mutter ging nun abermals zu der klugen Frau und erzählte es ihr.

„Wenn das Kind wieder nach Essen schreit“, sagte das Weib, „so nehmt ein glühendes Stück Eisen und versucht es ihm in den Mund zu stecken“.

Die Frau ließ das Kind einige Tage fasten, bis es fürchterlich nach Brot zu schreien begann.

Da nahm das Weib einen glühenden Eisenstab und ging auf das Kind zu. Da sprang es aus der Wiege und lief hinaus. Die Frau eilte ihm nach, doch draußen war es nirgends mehr zu erblicken. Als die Mutter wieder in die Stube kam, saß ihr eigenes Kind weinend auf dem Boden.

Eine andere Frau, der die Heinzelmännchen ihr schönes Kind gegen ein häßliches und verkrüppeltes umgetauscht hatten, ging zu der „weisen Frau“ und erzählte es ihr. Sie gab ihr den Rat, das Kind mit Ruten so lange zu schlagen, bis es aus tausend Wunden blute; dann sollte sie es nackend auf den Kehrichthaufen werfen. Die Frau befolgte die Weisung, und als sie nach einer Weile wieder herauskam, um nachzusehen, was mit dem Kinde geworden ist, fand sie ihren eigenen Knaben, den die Heinzelmännchen aber aus Rache ebenso ausgepeischt, wie die Frau es mit dem ihrigen getan hatte. (Weitsee.)

Bekommt man aber das Kind nicht zurück, so muß es immer bei den Heinzelmännchen bleiben. – Ein Knecht, der im Stall schlief, wachte auf und sah vor seinem Bette die roten Männchen einen Tanzreigen aufführen. In der Mitte war ein Menschenfräulein von etwa 15 Jahren. Das Mädchen gefiel dem Knecht, und es erwachte in ihm der Wunsch, mit ihm zu tanzen. Kaum erhob er sich aber von seinem Lager, so war alles fort, als wenn es die Erde verschlungen hätte. (Weitsee.)

Die Heinzelmännchen verstehen auch, sich in Tiere zu verwandeln. Jeden Dienst, den ihnen der Mensch erweist, suchen sie zu entschädigen. Ein junges Mädchen sah eine Kröte, die sich langsam fortschleppte und über einen Zaun klettern wollte. Da sie sich vergeblich abmühte, sagte das Mädchen: Ich will dir helfen, wenn du mich zu deiner Hochzeit einladest.“ „Das trifft sich gut,“ sagte die Kröte, „nach drei Tagen werde ich heiraten, und wenn du mir den Dienst erweist, so sollst du dabei sein.“

Das Mädchen meinte, es wäre ein Scherz, aber am dritten Tage gegen Abend erschien bei ihr ein kleines Männchen in roter Jacke und rotem Käppchen und brachte ihm die Einladung zur Hochzeit.

Das Mädchen erschrak und lief zu der „klugen Frau“. Diese gab ihm den Rat hinzugehen. Es dürfe aber auf der Hochzeit weder essen, noch trinken.

Das Heinzelmännchen führte das Mädchen in einen Wald. Es verband ihm die Augen und geleitete es auf steilen Treppen und schmalen Gängen in die Tiefe. Hier wurde dem Mädchen das Tuch von den Augen genommen, und es sah sich in einem großen Saale, der von Gold und Diamanten funkelte. Es wurde gerade das Hochzeitsmahl gegeben. Eine unzählige Schar von roten Männlein saß auf winzigen Stühlchen um die runden Tischchen und aß und trank aus Gefäßen von glänzendem Gold. Für das Mädchen war aber neben dem Bräutigam, der jetzt keine Kröte, sondern ein Heinzelmännchen mit einer Krone auf dem Haupte war, gedeckt. Es wurden viele Schüsseln aufgetragen, und die schönsten Speisen herumgereicht. Aber das Mädchen rührte keinen Bissen an. Als aber der perlende Wein getrunken wurde, und man das Wohl des Hochzeitspaares feierte, da konnte das Mädchen es sich nicht versagen, etwas zu trinken. Doch kaum berührte es mit den Lippen den Kelch, so wurde es ihr dunkel vor den Augen. Es schien alles in die Erde zu versinken. Als es wieder zu sich kam, war es am Eingang des Waldes. Seine Schürze und Taschen waren aber mit Steinen gefüllt. Ärgerlich warf das Mädchen alles fort und ging nach Hause. Den nächsten Tag griff es unwillkürlich in die Tasche, fand dort noch einige harte Gegenstände und glaubte, es wären Steine. Als es sie hervorholte, hatte es die ganze Hand voll Dukaten. Nun lief das Mädchen in den Wald, um auch das Gold, was es aus der Schürze geworfen hatte, zu holen, aber es fand die Stelle nicht mehr. (Sanddorf.) –

Die Heinzelmännchen plagen oft den Menschen auf alle mögliche Weise. Auf dem Bettlaken findet man des Morgens rote Kreuze, die von den Erdmännchen herrühren. Auch bewerfen sie den Menschen plötzlich mit Ausschlag. Um das zu verhindern, muß man ein Hemd verkehrt anziehen und eine rote Schärpe um den nackten Leib binden.

Mit Vorliebe sitzen die Heinzelmännchen im Feuerherd in der Asche. Wenn die Hausfrau des Morgens die Asche hinauswirft, so verschwinden auch die kleinen Gesellen. Man darf aber auf dem Kehricht nicht sein Bedürfnis befriedigen, sonst wird man von den Heinzelmännchen mit Ausschlag beworfen. Um sich davor zu schützen, muß man dreimal ausspucken.

Günstiger sind sie den Tieren gesinnt, und in einem Stalle, in dem sich die Heinzelmännchen befinden, gedeiht das Vieh vortrefflich. In der Nacht, wenn die Knechte schlafen, füttern sie die Tiere. Sie kämmen und bürsten sie und flechten die Mähnen der Pferde  in die schönsten Zöpfe. Man darf sie nicht auseinanderkämmen, sonst würden die Tiere eingehen. – Wenn am Morgen unter den Krippen der Tiere sauber gefegt ist, so ist es ein Zeichen, daß in dem Stalle die Heinzelmännchen sind.

Will man die Heinzelmännchen von einem Orte für immer vertreiben, so muß man auf der Stelle einen Hund oder eine Katze vergraben.

 

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Der Alp.

 

Die Menschen werden im Schlafe von einem Übel befallen, das bei den Deutschen Alpdrücken und im Volksmunde der Kaschuben „zmora“ oder „mora“ heißt. Es besteht in einem Gefühl der Ohnmacht, der Belastung durch einen schweren Gegenstand. Man ist wie gefesselt, und trotz der äußersten Anstrengung vermag man sich nicht zu rühren. In der Regel vermeint man eine Gestalt zu sehen, die den Zustand verursacht.

Das Volk kennt zwei Arten des Alpdrückens, durch Abgeschiedene und durch lebende Personen.

Die Seelen der Verstorbenen, die eine Schuld abzutragen haben und im Jenseits keine Ruhe finden können, erscheinen den Verwandten oder Freunden und quälen sie, bis die betreffende Person ihnen Hilfe bringt. In der Regel kann man sich von dem Geiste loskaufen, wenn man für die unglückliche Seele etliche hl. Messen in verschiedenen Kirchen lesen läßt.

Dieser Glaube ist aber weniger verbreitet, weit mehr herrscht die Ansicht, daß der Alp eine lebende Person ist und zwar ein Mensch aus dem Orte.

Diese unglücklichen Wesen werden vom Volke nicht verachtet, (wie etwa die Hexen und die Vampire). Man bemitleidet sie; denn in den meisten Fällen sind sie sich ihres Übels gar nicht bewußt. Entweder sind sie gleich von der Natur dazu verurteilt, andere Menschen zu quälen, oder einer ihrer Taufpaten ist ein Alp gewesen, oder er hat bei dem Taufakt an die „mora“ gedacht.

Der Alp stellt sich entweder gleich nach dem Hinlegen, in dem Moment, wenn man einschlafen will, oder vor dem Erwachen ein. Ein müdes, bleiernes Gefühl legt sich auf die Glieder, eine unbezwingbare Last beschwert die Brust und raubt den Atem. Ein Angstgefühl überkommt den Schläfer. Der Mensch ist bei wachen Sinnen, aber er vermag weder zu rufen, noch sich zu rühren. Häufig sieht er den Alp auf sich ruhen. Der Alp erscheint in verschiedenen Gestalten, als Mensch, Katze, Apfel, Birne, Feder, Strohhalm.

Ist die Zeit vorüber, so sieht man den Alp langsam sich erheben. Die Müdigkeit läßt nach; man kann sich bewegen. Wenn man in diesem Augenblicke den Mut und die Geistesgegenwart besitzt, den Alp festzuhalten, so kann man sich überzeugen, wer es ist. Sind die Stunden vorüber, so verwandelt sich der Alp in seine gewöhnliche Gestalt.

Ein Mann wurde jede Nacht vom Alp gedrückt. Einmal griff er rechtzeitig zu und hatte eine schwarze Katze in den Händen. „Warte, dir werde ich es heimzahlen“, sagte er, und klemmte sie mit dem Schwanz in den Zaun ein. Als er am frühen Morgen an die nämliche Stelle kam, fand er ein Mädchen aus dem Dorfe, das mit den Zöpfen an den Zaun gebunden war. Es bat flehentlich, es nicht zu verraten. Als es dem Manne versprochen hatte, ihn nicht mehr zu quälen, ließ er es frei. –

Ein Knecht hatte nach dem Alpdrücken einen Apfel in der Hand, und da er ihm gar zu schön duftete, so biß er hinein. Das Fleisch war aber sehr hart, und er legte in fort. Am Morgen war der Apfel verschwunden. Die Tochter des Nachbars war aber in eine Wange gebissen und mußte mit verbundenem Kopf gehen. (Sanddorf.) –

Ein anders Mal war der Alp eine Birne. Sie war so weich und schmackhaft, daß der Knecht sie verzehrte. Die Kerne warf er auf die Erde. – Am Morgen lagen vor seinem Bette die benagten Gebeine einer weiblichen Person. (Sanddorf.) –

Ein Bauer hatte drei Töchter. Sie waren stets bleich und elend, und wenn der Vater sie am Morgen wecken wollte, so schliefen sie wie tot und waren nicht wach zu bekommen.

Einmal blieb ein Bettler bei dem Bauer zur Nacht. Es wurde ihm ein Zimmer zugewiesen, das nur durch eine Bretterwand von dem Schlafgemach der Mädchen getrennt war. als im Hause sich alles beruhigt hatte, hörte er wie die Mädchen sich wieder ankleideten und ihr Zimmer verließen. Erst gegen Morgen kamen sie zurück und stiegen durch das Fenster ein.

Der Bettler belauschte ihr Gespräch.

„Ich hatte heute eine schwere Nacht“, sagte die eine. Ich mußte das kalte Wasser drücken. Seht, wie meine Kleider naß sind“.

„Du bist noch gar nicht so schlimm daran“, sprach die zweite. „Ich mußte den Dornstrauch drücken. Die spitzen Stacheln sind mir tief ins Fleisch eingedrungen und haben schmerzliche Wunden hinterlassen.

Darauf die Dritte: „Ihr seid wohl zu bedauern, aber doch habt ihr es nicht so schwer gehabt als ich. Ich mußte den Weg drücken. Es war in einer belebten Gegend. Die Pferde zerstampften mich mit ihren scharfen Hufeisen, und die Lastwagen hätten mich um ein weniges zermalmt“.

Kaum hatten die Mädchen sich hingelegt, so kam der Vater, um sie zu wecken; denn es war Morgen. Der Bettler ging ihm entgegen, und erzählte, was er gehört hatte. Der betrübte Vater wußte nun, daß seine Töchter Alpe seien. Er ließ sie ruhig länger schlafen. Noch an demselben Tage ging er aber zum Pfarrer und bat ihn um Rat und Hilfe.

Die Mädchen mußten nochmals getauft werden, denn die Paten hatten bei dem ersten Akt entweder die gestellten Fragen falsch beantwortet, oder dabei an den Alp gedacht. Außerdem wurden die Pfosten von den Türen und Fenstern des Schlafgemachs der Mädchen mit Weihwasser besprengt, damit sie zur Nachtzeit das Zimmer nicht verlassen könnten. Und der Bann war von den Mädchen gewichen. (Weitsee).

Der Alp quält auch die Tiere. Ein Zeichen dafür ist es, wenn man sie am Morgen unruhig und schweißgebadet findet.

Der Alp ist in der Regel ein weibliches Wesen, nur selten ein männliches.

Will man sich vor dem Alpdrücken schützen, so lege man ein Messer oder ein Stück Flachs unter das Kopfkissen. Auch stelle man die Fußbekleidung als Schuhe, Pantoffeln, Holzkorken mit dem Absatzteil dem Bette zu. Es denkt dann der Alp, der Mensch sei nicht anwesend.

Wenn der Schlafende stöhnt und jammert, so ist das ein sicheres Zeichen, daß ihn die „mora“ drückt. Man muß ihn beim Vornamen anrufen, dann verläßt ihn der Alp. (Sanddorf).

 

 

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Doppelgänger.

 

Der Doppelgänger (sobotwor) ist der böse Geist, dem der Mensch seine Seele verschrieben hat. Es gibt Leute, welche mit dem Teufel einen mit Blut unterzeichneten Vertrag abgeschlossen haben, wonach der Böse sich verpflichtet, der betreffenden Person zu dienen und alle ihre Wünsche zu erfüllen. Dafür gehört die Seele nach dem Tode dem Satan. Diese Menschen müssen sich aber selbst das Leben nehmen, und alle Selbstmörder bezeichnet daher das Volk als Doppelgänger.

Aus dem Volke kennt man nur selten Doppelgänger, wohl aus dem Grunde, weil es hier keine Reiche gibt. Nur der vermögende Mann, ein Guts- oder Fabrikbesitzer, gilt als Doppelgänger. Er braucht sich um sein Gut nicht zu kümmern, der Teufel überwacht es.

In Ch. lebte ein reicher Edelmann, der hatte soviel Geld, daß die Leute zu der Annahme kamen, der Leibhaftige selbst schleppte es ihm herbei. Der Teufel beaufsichtigte sein Gut. Man sah den Herrn fortfahren, und wenn einer von den Instleuten die Gelegenheit wahrnehmen wollte, um im Garten, auf dem Speicher, auf dem Felde oder im Walde etwas zu stehlen, so war sofort der Herr in Begleitung eines großen, schwarzen Hundes da. Anfangs ließen sich die Leute verscheuchen. Als sie aber erst merkten, daß es nicht der Herr selbst, sondern nur sein Doppelgänger war, so liefen sie nicht fort, weil sie wußten, daß die Gestalt keine Macht über sie hatte. (Gr. Chelm.)

Wenn der Gutsherr zum Besuch ausfuhr, so kehrte sein Doppelgänger gewöhnlich eine Stunde früher nach Hause zurück und weckte die Dienerschaft. Auch sah man öfters den Herrn in den Wohnräumen umhergehen, trotzdem die Diener genau wußten, daß er abwesend war.

Ein Jude kaufte einen großen Wald im Kreise Konitz. Das Volk stahl Moos und Holz, bis einmal der Jude in einem langen schwarzen Kaftan vor ihnen stand. Die Leute erschraken und liefen davon. Doch später merkten sie, daß es nur der Doppelgänger gewesen ist, und von der Zeit an ließen sie sich nicht mehr stören. (Gr. Chelm.)

Ein Schneider aus F. ging auf ein Gut, um dem Herrn Maß zu einem Anzuge zu nehmen. Er sah den Besitzer im Garten auf- und abgehen. Als er aber im Hause sagte, man solle ihn bei dem Herrn anmelden, da erhielt er den Bescheid, daß er bereits den Tag vorher verreist sei.

Die Geschichten über den Doppelgänger sind unter dem Volke sehr zahlreich vertreten. Der Kern ist aber stets der, daß der Böse in der Gestalt des Herrn umhergeht und das Eigentum desselben bewacht.

 

 

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Der Vampirismus.

 

Mit dem Alp ist der Glaube an Vampire verwandt. Es ist eine der entsetzlichsten und schauerlichsten Seiten des Volksaberglaubens. Wie er sich hier eingenistet hat, und welches die Ursachen seiner früheren ziemlich großen Verbreitung sind, ist schwer zu erfahren.

Der Vampir ist ein Wesen (ein Mensch), der im Grabe keine Ruhe findet, sich nach der verlassenen Welt sehnt und das frührere Leben dadurch zu erreichen sucht und glaubt, daß er den Verwandten das Blut aussaugt. Die Verstobenen führen im Grabe eine Art Leben. Sie beginnen zuerst die Kleider von sich zu fressen, dann verzehren sie ihren Leichnam, zuletzt verlassen sie das Grab und gehen an die Glocken und beginnen zu läuten. Soweit der Klang der Glocken reicht, müssen alle Verwandten des Toten der Reihe nach sterben. –

Bei der Geburt kann man es bereits erkennen, ob das Kind ein Vampir ist. Hat es ein „Mützchen“ auf dem Kopf, so ist es „wieszczy“. Hat es bei der Geburt schon zwei Zähnchen, so heißt es „nielop“. Diese beiden Volksausdrücke bezeichnen die doppelte Art des Vampirismus. Ersterer ist der ungefährlichere, und es genügt gewöhnlich, das „Mützchen“ dem Neugeborenen abzunehmen, es zu trocknen, zu zermahlen und dem Kinde einzugeben.

Besonders ist auf die Kinder zu achten, die in einer Nacht geboren werden, in der der Mond nicht scheint. Es sind in der Regel „nielop“.

Der Unterschied zwischen „wisezczy“ und „nielop“ besteht darin, daß ersterer nur die nächsten Anverwandten aus einem Hause holt, letzterer aber alle, soweit der Ton der Glocken reicht.

Auch zu Lebzeiten kann man die Vampire erkennen. Sie zeigen ein unruhiges, aufgeregtes Wesen und haben ein aufgedunsenes, blutrotes Gesicht. In der Sterbestunde ist auf diese Leute besonders zu achten. Vor allem müssen sie den geistlichen Beistand bekommen, gegen den sie sich oft sträuben. Nach dem Tode sind bestimmte Vorbereitungen genau zu beachten. Der Verstorbene erhält in den Sarg etwas Erde von der  Schwelle, damit er nicht ins Haus zurückkehren kann. Dann wird ihm ein Stück Ziegelstein unter das Kinn gelegt, damit er sich daran die Zähne stumpf beißt. Er bekommt auch ein Stück Fischernetz in den Sarg. Er kann nicht eher das Grab verlassen, bis er all die feinen, festen Knoten aufgebunden hat, was oft Jahrzehnte lang dauert. Auch wird Mohn in den Sarg geschüttet. Der Tote hat die Körnchen zu zählen. Desgleichen wird auf dem Wege von dem Hause zur Kirche Mohn gestreut. Wenn die Seele zurückkehren will, so muß sie erst die Körnchen aufsammeln.

Als ein Anzeichen des Vampirismus gilt es auch, wenn der Mensch nach Eintritt des Todes nur langsam erkaltet, oder wenn sich Blutflecke auf dem Gesicht, namentlich aber an den Fingernägeln zeigen.

Sein schreckenverbreitendes Treiben beginnt der Vampir oft schon dann, wenn der Leichnam über die Schwelle getragen wird. In andern Fällen erst etliche Tage oder Wochen später. Um sich gegen das Unheil zu schützen, muß man den Toten mit dem Gesicht nach unten legen, oder, was in jedem Falle das Sicherste ist, ihm mit einem scharfen Spaten den Kopf abhauen. Als Zeichen eines inneren Lebens ergießt sich ein roter, warmer Blutstrahl.

Es mögen hier als Ergänzung einige Berichte aus dem Volksmunde folgen. Namen von Personen und Orten möchte ich hier aus naheliegenden Gründen vermeiden.

In einem Dorfe starb eine Frau, Mutter von zahlreichen Kindern. Es ist hier üblich, die Nächte bis zum Begräbnistage eine Totenwacht zu halten. Die Leute aus dem Dorfe kommen in das Trauerhaus, versammeln sich um die Bahre, singen fromme Lieder und beten für den Verstorbenen. Da in diesem Falle aber die Stube sehr klein war, so stellte man den Sarg mit der Toten in der angrenzenden Scheune auf. Kaum war dies geschehen, so wurde das älteste Kind von heftigen inneren Schmerzen befallen. Es war ein Gefühl, als wenn sich etwas in das Herz einkrallt und langsam das Blut aussaugt, ein Symptom, das die „wieszczy“-Krankheit anzeigt. Ein allgemeines Entsetzen erfaßte die Versammlung. Man war fest überzeugt, daß die Tote ein Vampir sei. Um einem weiteren Übel vorzubeugen, gingen einige beherzte Männer hin und trennten mit einem scharfen Spaten der Verstorbenen den Kopf ab, worauf sich ein Strom roten, warmen Blutes ergoß, ein Zeichen, daß es tatsächlich ein „wieszczy“ gewesen ist. Der Kopf wurde zwischen die Füße gelegt. – Die Krankheit bei dem Mädchen ließ augenblicklich nach. –

In einem andern Dorfe wurde Totenwacht gehalten. Die Bahre stand in der Kammer. Ein Man schaute durch die Türspalte und bemerkte, wie der Tote sich erhob und die Kleider zu verzehren begann. Ein Mann holte eine scharfe Sense, schlich sich von hinten heran und hieb dem Vampir den Kopf ab. –

Der schreckliche Aberglaube war noch vor wenigen Jahrzehnten verbreitet. Ein alter Fischer erzählte mir (natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit), daß seine eigene Mutter ein Vampir gewesen sei. Einige Tage nach ihrem Tode kam der Totengräber zu ihm und erzählte, daß es mit seiner Mutter nicht „ganz richtig“ sein könne. Sie war sicherlich ein „wieszczy“, denn er habe bemerkt, daß sie unter den Nägeln Blut hatte. Der Sohn erschrak darüber sehr, und in einer dunklen Nacht gingen Sie auf den Kirchhof, öffneten das Grab, und die Tote wurde mit dem Gesicht nach unten gelegt. - Es ist nachdem kein Todesfall in der Familie vorgekommen. – Und merkwürdig, gerade der Mensch, der mir es erzählt hatte, wurde von andern Leuten aus dem Dorfe mir gegenüber als „wieszczy“ bezeichnet, bei dessen Tode man auf die genaue Befolgung der üblichen Formalitäten wird achten müssen.

 

 

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Das Irrlicht.

 

Das Volk glaubt an verborgene Schätze. In früheren Zeiten, namentlich während der Kriege, hatten die Menschen ihr Geld vergraben, um es vor dem Feinde zu schützen. Aber auch alte, geizige Leute verscharrten ihre Schätze. Damit sie ein Unberufener nicht auffinde, machten Sie darüber das Kreuzzeichen und gebrauchten die Zauberformel: „Diese Hand hat dich versteckt, ruh’ bis sie dich wieder weckt“.

Nun starben die Leute oft dahin, ohne das Geld zu heben oder den Platz zu verraten. Selbst wenn jemand auch die Stelle wüßte, aber die Zauberformel nicht kennt, so nützt es nicht viel. Nur die Hand, die es verwahrt hatte, vermag es zu heben. Man muß  auf der vermeintlichen Stelle mit der Hand des Verstorbenen graben, um das Geld zu finden.

Eine geizige Bäuerin lag im Sterben. Das Geld hatte Sie unter ihrem Kopfkissen liegen. Je näher der Tod herankam, desto größer wurde der Geiz, und sie mißgönnte den Reichtum ihren Verwandten. Als sie sich unbeachtet glaubte, stand sie mit Aufbietung aller Kräfte auf, grub unter der Schwelle ein Loch, und verwahrte hier das Geld, indem sie den Zauberspruch sagte. (Olpuch.)

Ein Knecht hatte es beobachtet. Sobald seine Herrin starb, trug er die Tote an die Schwelle und grub mit der Hand das Geld aus. –

Wird der Schatz aber nicht gefunden, so ist er dem Teufel verfallen. Damit das Geld nicht stockt und schimmelt, wird es von dem Bösen einmal im Jahre im Feuer getrocknet. man sieht dann um Mitternacht an bestimmten Stellen ein Licht flackern. Es ist das Irrlicht (ognik) oder im Volksmunde: pieniadze se przesuszaja (das Geld wird getrocknet). Ein kleines Feuer deutet auf Nickelmünzen, ein großes auf Gold.

Auch jetzt ist es noch möglich, das Geld zu heben, wenn man mit den Formeln und den Vorbereitungen vertraut ist.

Ein Bauer starb. Die Kinder wunderten sich, daß er kein Geld hinterlassen hatte. Er mußte es vergraben haben. Nach einem Jahre sahen sie unter einem Baume im Garten ein Feuer brennen. Dort war also der Schatz. Kein anderer würde aber das Geld heben können, als die Hand des Vaters. Die Kinder öffneten daher das Grab. Sie fanden aber nur den Handknochen. Mit diesem scharrten sie auf der bekannten Stelle und fanden den Schatz. (Wielle.)-

Ein Bauer ging in später Nacht nach Hause. Da sah er auf  einem Moor ein Feuer brennen. Zwölf Männer saßen  ringsherum und wühlen darin mit langen Stöcken. Der Bauer trat hinzu und begann mit seinem Hagedornstab1) Kreuze in den Feuerhaufen zu schlagen. Da erlosch sofort die Flamme und auch die Männer verschwanden. Der Bauer ging nach Hause. Als er aber gegen Morgen erwachte, hörte er, wie jemand an das Fenster klopfte und rief: „Hole dir den dreizehnten Teil ab“ Der Bauer verstand nicht, was es zu bedeuten hatte. Als er aufs Feld ging, kam er zufällig auf den Platz, wo er in der Nacht das Feuer gesehen hatte. Dort fand er einen Haufen Goldstücke. (Sanddorf.) –

Einige Leute geben an, man müsse den geweihten Rosenkranz auf das Feuer werfen, oder auch den Schuh vom rechten Fuß. Darauf soll man nach Hause gehen, ohne sich umzuwenden, ohne etwas zu sagen oder zu denken. Am nächsten Tage liegt der Schatz auf der betreffenden Stelle. Doch sucht der Teufel auf jede nur erdenkliche Art den Menschen zu täuschen. Nur in den seltensten Fällen findet man Goldstücke. Meist sind es Steine oder Scherben, oft tote Tiere, als Pferde, Hunde. Man muß aber alles nach Hause tragen. Hier verwandelt es sich in Gold. –

 

1)  Gilt im Volksmunde für heilig. Man kann damit die Teufel austreiben.

 

 

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Der Teufel.

 

Der Teufel nimmt in dem Geisterglauben des Volkes den breitesten Raum ein. Es mag wohl daran liegen, daß schon die Kirche dem Volke Aufschluß gibt über gute und böse Geister, die ihm wohlwollend oder übel gesinnt sind, die sein Heil oder sein Unglück wollen. Die Macht des Stans soll zwar im Neuen Testamente wesentlich beschränkt sein, aber das Volk stellt sich doch den Teufel als einen Dämon vor, der den Menschen umkreist, um ihn zu verderben. Über den Körper hat der Böse zwar zu Lebzeiten keine Gewalt, ist aber die Seele mit Sünden stark belastet, so ist es schon vorgekommen, daß der Teufel dem Sünder den Kopf abgedreht hat und mit der Seele zur Hölle gefahren ist.

Nach dem Tode hat der Satan auch Gewalt über den Leichnam des Verdammten. Er zieht ihm die Haut ab, bekleidet sich damit und läuft als Spuk in der Gestalt des Verstorbenen umher.

Zwei Freunde, ein Arzt und ein Pfarrer, hatten gegenseitig sich das Versprechen gegeben, daß, wenn der eine sterbe, der andere auf seinem Grabe drei Tage lang Wache halten solle. Der Tod holte zunächst den Arzt und der Geistliche wachte zwei Nächte am Grabe, ohne etwas Besonderes zu merken. In der dritten Nacht um die zwölfte Stunde kam der Teufel. Er wühlte das Grab auf, öffnete den Sarg, zog dem Toten die Haut ab, legte sie an die Seite und scharrte wieder das Grab zu. Unbemerkt nahm der Priester die Haut seines Freundes an sich und zog zum Schutze gegen den Bösen ringsum einen Kreis mit geweihter Kreide. Der Teufel schäumte vor Wut, als er sich hintergangen sah. Er bat den Priester, ihm sein Eigentum zurückzugeben. Der sprengte nach allen Seiten mit Weihwasser, um den Bösen zu vertreiben. Endlich krähte der Hahn, und der Teufel entfloh zur Hölle. Der Pfarrer legte die Haut seines Freundes wieder in den Sarg zurück und segnete den Toten nochmals ein. So hatte er den Leichnam aus der Gewalt des Teufels befreit. (Wielle.) –

Die Gestalt des Leibhaftigen ist höchst verschieden, da er die Macht hat, sich nach Belieben zu verändern. Am häufigsten sieht man ihn als eine schwarze Katze mit einem langen Schwanz, ein wildes Pferd, einen schwarzen Hund, einen Bullen, als Ratte, Maus, Ziege. Er kann sich in alle Tiere verwandeln; nur die Gestalt des Schafes kann er nicht annehmen, da es vom Herrn geheiligt ist.

Der Teufel erfreut sich unter dem Volke recht zahlreicher Namen. „Djabel“ (Teufel) sagen die Leute sehr selten, da es eine Sünde ist. Man sucht daher das Gebot zu umgehen und legt dem Leibhaftigen andere Bezeichnungen bei, als: bies, smok, srela, djachel, czort, pogan, kaduk, smoron, judasz, piekelnik, szatan, smolnik, paskudnik.

Es kommt nicht selten vor, daß der Teufel von einem Hause Besitz nimmt. Er geht herum und peinigt die Menschen wie er kann. Um sich dagegen zu schützen, wird das neue Haus von dem Geistlichen unter Gebeten eingesegnet und mit Weihwasser besprengt. Auch die heiligen Kräuter, die man unter die Balken steckt, sollen den Leibhaftigen verscheuchen. Hat sich der Satan  aber irgendwo eingenistet, und man will ihn vertreiben, so bedient man sich eines Stockes vom Hagedorn. In allen Ecken und Winkeln, der vom Teufel besetzten Wohnung, muß man unter Gebeten über Kreuz mit dem Stab schlagen.

Wird aber ein Mensch von dem Teufel besessen, so kann ihn nur der Geistliche davon erlösen. Doch auch unter ihnen haben nicht alle die Macht dazu. In dem Dorfe R. im Kreise Konitz war ein vom Satan besessenes Weib. Der Böse schrie, brüllte, bellte durch die Frau, verrenkte ihr die Glieder und quälte sie in der gräßlichsten Weise. Da luden die Leute das Weib auf den Wagen und fuhren mit ihm viele Meilen weit zu einem alten, abgedankten Pfarrer, der die Macht zum Austreiben der Teufel besitzen sollte. Und sobald der Geistliche die Gebete über der Kranken zu verrichten begann, beruhigte sie sich, war auch auf dem Rückweg wie umgewandelt und völlig gesund. Leider schien der Geisterbann nicht nachhaltig zu sein, denn als sie nach Hause kamen, begann der Böse wieder sein Unwesen zu treiben. (Rybaki.)

Der Erklärung des Arztes, daß die Frau hysterisch sei und unter epileptischen Anfällen leide, wollte das Volk nicht Glauben schenken. –

Einige Seen, Brüche, Moore führen dem Teufel verwandte Namen: djabelc, piekelko, smolnik. Es sind in der Regel dunkle, inmitten von Wäldern einsam gelegene Gewässer, von denen die Sage gilt, daß hier Städte, Dörfer oder Gehöfte der sündigen Menschen wegen ihren Untergang gefunden hatten.

Von den Tieren sind die Ziege und die Fledermaus vom Teufel erschaffen, worauf einesteils die Hörner und der Bart und andernteils die häßlichen Flügel deuten. Von den Pflanzen gehört dem Bösen die Brennnessel und die Diestel.

Obwohl der Teufel sehr gefürchtet wird und der ärgste Feind des Menschen ist, so ist er nach Ansicht des Volkes nicht sonderlich schlau; und die Geschichten vom „dummen“ oder „betrogenen Teufel“ sind sehr zahlreich.

Als Jesus noch auf Erden wandelte, kam er eines Tages mit Petrus zu einem Juden, der ein arger Säufer war. Sie wurden aber wider Erwarten gut aufgenommen und bewirtet. Beim Abschied sagte Jesus zu dem Juden: „Geld haben wir nicht, um dich zu bezahlen, aber du darfst dir fünf Dinge wünschen, und alles soll dir in Erfüllung gehen.“

„Das ist mir recht“, sagte der Jude. „Wenn nur meine Flasche stets mit meinem Lieblingsschnaps gefüllt ist, so will ich zufrieden sein.“

„Gut, es soll geschehen, wie du dir wünschst,“ sprach Jesus. „Vergiß aber das Wichtigste nicht.“

„Ja, was tut mir noch not,“ besann sich der Jude. „Meine Tabaksdose darf niemals leer werden.“

„Und drittens?“ fragte Jesus weiter.

„Halt, beinahe hätt’ ichs vergessen“, rief der Jude. „Ich habe in meinem Garten einen Birnbaum, der die prächtigsten Früchte trägt. In der Nacht kommen aber böse Buben und pflücken mir alles ab, so daß ich einen großen Schaden habe. Wenn es sein kann, so soll keiner ohne meine Erlaubnis vom Baume absteigen können.“

„Das sind alles eitle Wünsche,“ lächelte Jesus. „Weißt du nichts Wichtigeres, das dir not täte?“

Der Jude kratzte sich hinter den Ohren. Es fiel ihm wirklich schwer, sich noch mehr zu wünschen. „Ich habe einen Stuhl“, sprach er „wer sich darauf setzt, der darf sich ohne meine Erlaubnis nicht erheben.“

„Nun bleibt dir noch der letzte Wunsch. Besinne dich, damit du über einer törichten, vergänglichen Sache das Wichtigste, was der Mensch bedarf, nicht vergissest.“

„Ich habe eine Ledertasche“, sagte endlich der Jude nach langem Besinnen. „Dort verwahre ich meine wenigen Vorräte, wenn ich auf der Reise bin. Ohne mein Wissen und Wollen soll nichts aus der Tasche heraus.“

„Und das Wichtigste, das Himmelreich, hast du doch vergessen“, sagte Jesus traurig. „Es geschehe dir alles, was du dir gewünscht hast, aber das Paradies bleibt dir verschlossen.“ Und Jesus zog mit Petrus von dannen.

Der Jude machte sich über die verscherzte Seligkeit keine trüben Gedanken. Er war froh und zufrieden, daß seine Schnapsflasche stets gefüllt war, und der Tabak in seiner Dose nicht abnahm.

Doch der Jude wurde alt, und es kam der Teufel, um ihn zu holen.

„Ich gehe gerne mit dir“, sprach der Jude. „Nur will ich für die weite Reise noch einige Vorbereitungen treffen. Setze dich unterdessen auf diesen Stuhl.“

Der Teufel war müde, und ein Stündchen Ruhe war ihm erwünscht.

„Nun bin ich soweit,“ lachte der Jude. „Willst du nicht aufstehen und mich begleiten?“

Aber der Böse konnte sich nicht erheben. Und nun merkte er, daß ihn der Jude betrogen hatte. Die Geisterstunde ging immer näher dem Ende zu, und so sehr auch der Teufel bat und flehte, ließ sich der Jude nicht eher erweichen, bis der Leibhaftige ihm versprach, ihn nicht wieder zu holen.

Der Satan fürchtete sich zwar sehr, unverrichteter Sache in die Hölle zurückzukehren, aber es blieb ihm kein anderer Ausweg übrig, und er mußte dem Juden das Versprechen abgeben.

Aber in der Hölle wollte man sich damit nicht zufrieden geben, und es wurde ein anderer Teufel nach dem Juden geschickt. Der kannte bereits den verhängnisvollen Stuhl und wollte sich in acht nehmen.

„Du bist da, Schwarzer?“ begrüßte ihn freundlich der Jude. „Ich habe bereits nach dir ausgeschaut. Aber vorerst möchte ich mir mein Abendbrot bereiten. Doch sollst auch du mit leerem Magen mein Haus nicht verlassen.

Gehe in den Garten. Da ist ein Birnbaum voll saftigster Früchte, und du kannst deinen Hunger stillen.“

Der Teufel ließ es sich nicht zweimal sagen, denn solche Leckerbissen gab es in der Hölle nicht und kletterte hinauf. Als er aber absteigen wollte, vermochte er es nicht.

Der Jude stand unter dem Baume und höhnte: „Komm herunter, wenn du kannst. Willst ein schlauer Teufel sein und läßt dich von einem alten Juden betrügen. Wenn du mir versprichst, mich nicht mehr zu holen, so schenke ich dir die Freiheit, sonst kannst du in Ewigkeit da sitzen.“

Der Satan machte noch allerhand Einwendungen, aber zuletzt gab er doch dem Juden das Versprechen ab, ihn nicht zu nehmen.

Der Jude wurde immer älter, aber es wollte kein Teufel sich entschließen, ihn in die Hölle zu holen. Ein besonders schlauer, alter Satanas erklärte sich bereit, einen letzten Versuch zu machen. Und eines Tages klopfte er an die Tür des Juden.

„Wenn es durchaus sein muß“, sprach der Jude, „so werde ich dir folgen“. Er legte seine Ledertasche um, nahm den Stock und machte sich mit dem Schwarzen auf den Weg. Als sie in die Nähe eines Dorfes kamen, sagte der Jude: „Mein ganzes Leben galt ich bei den Leuten als ein ehrlicher und anständiger Mensch. Was werden sie nun sagen, wenn sie mich in deiner Gesellschaft sehen. Ich möchte doch nicht mit schlechtem Namen aus der Welt scheiden. Steige daher hier in meine Ledertasche. Hinter dem Dorfe lasse ich dich wieder heraus, und mein guter Ruf ist gerettet.“

Der Teufel ahnte nichts Böses und ließ sich bereden.

Am Dorfflusse wuschen die Weiber ihre Wäsche. „Gott helfe euch“, sagte der Jude, „wollt ihr nicht meine Tasche ein wenig durchwaschen. Es hat sich darin sehr viel Schmutz angesammelt.“

Die Weiber freuten sich, dem Greis einen Gefallen zu tun und bearbeiten mit den Waschhölzern so unbarmherzig die Tasche, daß dem armen Teufel Hören und Sehen verging. Er verhielt sich aber ganz still, um sich nicht zu verraten.

Als sie hinter das Dorf kamen schrie der Satan schäumend vor Wut: „Nun laß mich heraus, ich will dir es schon heimzahlen, wenn du unten bist.“

„Nur ruhig Freundchen,“ tröstete ihn der Greis. „So leichten Kaufs lasse ich dich nicht frei. Erst versprich mir, daß du mich niemals holen wirst.“

Der Teufel, der sich vor dem Spott der Höllengesellen fürchtete, wollte lieber alle Qualen erdulden, als auf die Seele des Juden verzichten.

Mittlerweile kamen sie in ein anderes Dorf. In einer Schmiede brannte ein lustiges Feuer, und die Gesellen arbeiteten, daß nur die Funken stoben.

Der Alte trat mit freundlichem Gruße näher. „Wollt ihr euch zu einem Sonntagstrunk verdienen, so klopft mir ordentlich diese Tasche aus, es hat sich viel Staub darin angesammelt.“

Die weißen Zähne blitzten vergnügt aus den schwarzen Gesichtern der Gesellen. „Das muß ein sonderbarer Kauz sein“, dachten Sie. „Aber wenn er gut bezahlt, so wollen wir selbst dem Teufel das Fell gerben.“ Sie schwangen ihre schwersten Hämmer, und schlugen so wuchtig, daß die Schmiede erdröhnte. Das wurde sogar dem Teufel zuviel, und er fing so fürchterlich an zu brüllen, daß die Gesellen erschreckt in ihrer Arbeit nachließen.

„So war’s recht“, lobte der Jude die Burschen. Er bezahlte reichlich, nahm seine Tasche und ging weiter. Aber kaum war er hinter dem Dorfe, so bat der Teufel jämmerlich, ihn frei zu geben, er werde nie mehr sich unterstehen, ihm in den Weg zu kommen.

Der Greis öffnete die Tasche, und er Leibhaftige stürmte davon. In der Hölle schilderte er aber all die Qualen, die er zu erdulden hatte, und erzählte von der Schlauheit des Juden, daß von nun an kein Teufel zu bewegen war, den Alten zu holen.

Den Himmel hatte sich der Jude nicht gewünscht, in der Hölle wollte man ihn nicht haben, so wandert der Greis noch heute auf der Erde, bekannt unter dem Namen „Der ewige Jude“. (Sanddorf.)

 

*   *   *

 

In früheren Zeiten erschien der Teufel sehr oft dem Menschen und versuchte mit ihm Geschäfte zu machen. Aber fast regelmäßig zeigt sich der Mensch schlauer als der Teufel.

Ein Bauer warf den Samen auf den bestellten Acker. Da erschien der Leibhaftige und sagte: „Wir wollen gemeinschaftlich wirtschaften. Ich werde schon dafür sorgen, daß die Saat gut gedeiht.“ „Gut“, entgegnete der Landmann, „du nimmst die untere Hälfte und ich die obere.“ Der Bauer hatte aber Roggen gesät. Als die Ernte kam, erhielt der Teufel die Stoppeln und der Landmann hatte die Ähren.

„Du hast mich betrogen“ sprach der Teufel. „Im nächsten Jahre nehme ich die obere Hälfte und du die untere“.

„Wie du es bestimmst, so soll es geschehen“, schmunzelte der Bauer und pflanzte Kartoffeln. Bei der Verteilung erhielt der Teufel das Kraut und der Landmann füllte seine Keller mit den Knollen.

Da wurde der Satan böse. „Nun wollen wir um den ganzen Gewinn spielen. Wer von uns am lautesten pfeifen kann, der bekommt die ganze Ernte.“

„Pfeif du zuerst“, sprach der Bauer. Der Satan blies die Backen auf, und wie der stärkste Sturm sauste sein Pfiff dahin, so daß der Mann beinahe taub geworden wäre.

„Das war eine schöne Leistung“ sagte der Bauer. „Nun komme ich an die Reihe, aber ich würde dir anraten, dir die Ohren zu verstopfen, die Augen zu schließen und dich platt auf die Erde hinzulegen.“

Der Teufel tat es. Da gab ihm der Bauer mit dem Hammer einen Schlag auf den Kopf, daß er es aus allen Löchern pfeifen hörte. Der Teufel war besiegt. Aber noch wollte er das Spiel nicht aufgeben. „Wir werden Steine werfen. Wessen Stein am weitesten fliegt, der hat gewonnen.“

Der Satan warf einen riesigen Stein in die Höhe, der erst nach einer Stunde wieder auf die Erde fiel.

Der Bauer hatte sich aber eine Lerche besorgt. Er ließ sie fliegen, und der Vogel kam überhaupt nicht zurück.

Da schleppte der Teufel die Höllentür herbei. Sie war mächtiger als das größte und schwerste Scheunentor. „Nun wollen wir sie in die Höhe werfen. Es wird sich jetzt zeigen, wer der Stärkere ist.“

„Mache es mir vor“, sprach der Bauer.

Der Teufel hob die Tür, als wäre es eine Feder und warf sie empor, daß sie erst nach langer Zeit niedersauste und sich tief in die Erde bohrte, so daß der Satan Mühe hatte, sie wieder herauszuziehen.

Nun stellte sich der Bauer vor die Höllentür. Bald sieht er sich das Ungetüm an, bald schaut er nach dem Himmel.

„Beeile dich“, rief ungeduldig der Teufel. „Was schaust du so hinauf.“

„Nur einen Augenblick Geduld“, gab ruhig der Bauer zurück. „Ich habe nämlich auf dem Mond meinen Schwager. Er ist dort Schmied und schrieb mir vor einigen Tagen, daß ihm das Eisen ausgegangen wäre. Und da warte ich, bis er sich zeigt. Ich will ihm die Eisentür zuwerfen.“

„Ha“ schrie der Leibhaftige, „hast mich immer betrogen und nun willst du mir auch die Höllentür abnehmen. Das lasse ich nicht zu. Was würde meine Großmutter sagen?“ Und der Satan ergriff die Tür und stürmte davon. (Weitsee.)

Der schlaue Bauer hatte sein Eigentum und seine Seele gerettet. –

 

*   *   *

 

Dem Menschen ist für seinen Lebensweg gleich bei der Geburt ein Engel zugeteilt, der die Aufgabe hat, ihn zu beschützen. Aber auf der linken Seite steht der Teufel und sucht den Menschen zum Bösen zu verführen. So herrscht gewissermaßen ein Kampf des guten Geistes mit dem Bösen um die Seele des Menschen. Stirbt der Mensch, so begleiten ihn der Engel und der Teufel bis vor den Richterstuhl Gottes. Der Engel zählt alle guten Taten auf, der Satan aber die schlechten, und er liebe Gott fällt darnach den Richterspruch.

 

 


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