Großhansdorf

und die Hochbahn

 

- Aufsatz von Studiendirektor Anselm Heer -

- Bilder aus eigenem Bestand -

 

 

Textauszug aus:

„700 Jahre Großhansdorf  1274 - 1974“

Festschrift zur 700-Jahr-Feier

 

 

Herausgegeben im Auftrag des Heimatvereins Großhansdorf-Schmalenbeck e.V.

von Rektor a. D. Willi Wilken

1974

 

 

Die entscheidende Wende in der Geschichte unseres Ortes trat am Anfang dieses [zwanzigsten] Jahrhunderts ein. Zwar waren schon in den beiden Jahrzehnten davor im Westteil des Gemeindegebietes von Ahrensburg her eine Reihe großer Landsitze und Villen entstanden und 1900 die Heilstätte der LVA errichtet, im übrigen aber war Groß-Hansdorf noch ein Bauerndorf.

 

Als sich 1904 nach der Fertigstellung der Straßenbahn Alt-Rahlstedt-Volksdorf zeigte, welches großes Interesse an einer Verkehrsverbindung mit den Walddörfern bestand, wurden auch in Groß-Hansdorf Pläne geschmiedet und mit Grundstücken spekuliert. 1909 wurde wegen einer Anschlusslinie an die Lübeck-Büchener-Eisenbahn in Ahrensburg verhandelt.

 

Hamburg baute um diese Zeit gerade seine Hochbahn. Dabei entstand der Plan, zur Schaffung neuer Siedlungsmöglichkeiten alle vier Walddörfer durch eine „Walddörferbahn“ an die neue Hochbahn-Ringlinie anzuschließen. Man war sich klar geworden, dass bei der Länge der Strecke eine Straßenbahn nicht genügen würde und dass wegen der hohen Kosten nur der Staat Bauträger sein könne. Vor allem war es notwendig, erst einmal Verhandlungen mit der preußischen Regierung aufzunehmen, denn an vier Stellen würden Streckenteile der Walddörferbahn über preußisches Gebiet geführt werden müssen. Günstig war es, dass man preußischerseits sehr an dem Bau der Alstertalbahn zur Erschließung der damals noch preußischen Gemeinden Wellingsbüttel und Poppenbüttel interessiert war. So wurden auf Verlangen der preußischen Regierung die Verhandlungen über beide Vorhaben miteinander verbunden. Der Staatsvertrag, der mit dem preußischen Minister für öffentliche Arbeiten ausgehandelt wurde, sah u.a. vor: Preußen gestattet Hamburg den Bau und Betrieb dieser elektrischen Schnellbahn innerhalb des preußischen Staatsgebietes. Es behält sich aber die Mitsprache bei der Führung der Trasse und bei der Festlegung der Stationen auf seinem Gebiet vor.

Die Tarifbildung, die Art und Weise des Betriebes und die Aufstellung des Fahrplans bleibt Hamburg überlassen mit der Maßgabe, dass die auf preußischem Gebiet liegenden Strecken nicht ungünstiger als die hamburgischen behandelt werden sollen.

 

Am 19.9.1911 wurden erstmals Einzelheiten über die Pläne in den Zeitungen veröffentlicht. Während die Strecke Barmbeck-Volksdorf-Ohlstedt so wie geplant ausgeführt werden konnte, musste die Zweiglinie nach Groß-Hansdorf auf Grund von Einsprüchen noch erheblich geändert werden. Ursprünglich sollte die durch Wulfsdorf bis an die Eisenbahn und dann neben ihr bis zum gemeinsamen Bahnhof Ahrensburg geführt werden. Nach einem Tunnel unter der Eisenbahn sollte sie durch das Tal der Aue Großhansdorf von Nordwesten her erreichen und in Schmalenbeck ungefähr an der Ecke Barkholt-Kortenkamp enden.

Als Kosten waren für die Zweiglinie 4,8 Millionen Mark veranschlagt.

 

Bei den weiteren Verhandlungen stellte sich heraus, dass die Verbindung der beiden Bahnhöfe in Ahrensburg es notwendig machen würde, die Eisenbahn höher oder tiefer zu legen, denn die neue Bahn durfte wegen der Stromschienen keine Bahnübergänge auf Schienenhöhe haben. Auch war Ahrensburg nicht bereit und nicht in der Lage, sich mit 1 Million Mark an den Kosten zu beteiligen. Daraufhin wurde nach mehrfachen Änderungen die uns heute geläufige Linie ausgearbeitet, die den Vorteil hat, dass sie den Südteil des Gebietes unserer Gemeinde besser erschließt.

 

Sehr modern erscheint uns heute das „Gesetz über die Erhebung von Beiträgen für den Bau der Walddörferbahn“, mit dem man einen Teil der Wertsteigerung der Grundstücke für die Finanzierung des Bahnbaus abschöpfen wollte. Diese Abgabe, die 50 Pf. Pro qm, bzw. 25 Pf. Pro qm bei Grundstücken unter 1000 qm, betragen sollte, konnte in einer Summe oder in Form einer Rente entrichtet werden. Fällig wurde sie beim Verkauf des Grundstückes nach dem Stichtag, dem 15.1.1912. Dieses Gesetz rief große Empörung hervor, denn bei den damaligen Grundstückspreisen war das ein verhältnismäßig hoher Betrag. Auch galt das Gesetz natürlich nur für die hamburgischen und nicht für die ebenso durch den Bahnbau begünstigten preußischen Gemeinden.

 

Am 21.2.1912, fast gleichzeitig mit der Einweihung des ersten Teilstückes der Hochbahn-Ringlinie von Rathausmarkt bis Barmbeck, genehmigte die Hamburger Bürgerschaft die Gesetze und Verträge. Unter Leitung von Baudirektor Sperber und Baumeister Nils Buer wurde mit dem Bau begonnen. Optimistisch glaubte man, in 80 Wochen die Erdarbeiten fertig zu haben und im Frühjahr 1915 die ganze Bahn in Betrieb nehmen zu können.

 

Doch dann brach der erste Weltkrieg aus und machte alle Termine hinfällig. Nur langsam gingen die Arbeiten weiter. 1914/15 wurde das Planum der ganzen Strecke fertiggestellt. Anfang 1916 wurde an den Bahnhöfen in Ahrensburg und Schmalenbeck gebaut. Sehr intensiv wurde damals gerade an der Verlängerung nach Beimoor gearbeitet, für die Erde aus der „Baggerkuhle“ in Hoisdorf geholt werden musste. Diese Verlängerung war nachträglich noch im Juli 1914 von Senat und Bürgerschaft beschlossen worden, weil der Plan bestand, in Beimoor die 3. hamburgische Irren-Anstalt zu bauen Zeitweise wurde sogar überlegt, ob man die Bahn nicht gleich über Beimoor hinaus bis zum Hansdorfer Kamp ausbauen sollte. Der Ausgang des Krieges machte diese Pläne zunichte. Der Bahnhof Beimoor wurde zwar gebaut, er ist aber niemals in Betrieb genommen worden und allmählich verfallen.

 

Im Frühjahr waren beide Schienenstränge bis Beimoor vorgestreckt. Es fehlten aber noch die Stromschiene und die elektrischen Anlagen. Die Gemeinden, die nun schon jahrelang warteten, drängten auf Inbetriebnahme. Es gelang zwar vom 12.9.18 bis zum 29.7.19 [*1] mit zwei belgischen Beutelokomotiven und umgebauten Hochbahnwagen einen provisorischen Betrieb mit 6 Zugpaaren täglich zwischen Barmbeck und Ohlstedt durchzuführen. Doch die Zweiglinie nach Groß-Hansdorf ging leer aus.

 

Als 1920 vorerst nur die Strecke von Barmbeck nach Volksdorf für den elektrischen Betrieb ausgebaut wurde, beschwerte sich der Gemeinde-Vorstand von Groß-Hansdorf-Schmalenbeck, dass diese Benachteiligung doppelt verbitternd wirke, weil der Ort auch noch kein elektrisches Licht habe wie schon alle preußischen Orte im weiteren Umkreis. Ein Jahr später war dann endlich auch die Zweiglinie nach Groß-Hansdorf betriebsfertig. Nach der landespolizeilichen Abnahme und eisenbahntechnischen Prüfung durch eines hamburgisch-preußische Kommission begann am Sonnabend, dem 5.11.1921, der regelmäßige Verkehr Am 17.6.1922 folgte die Eröffnung der noch fehlenden Bahnhöfe Kiekut und Hopfenbach (jetzt Ahrensburg-Ost). Da kein großer Verkehr zu erwarten war, fuhr meist nur ein Einzelwagen im Pendelverkehr. Dazu wurden zwei Hochbahnwagen mit Fahrerstand an beiden enden versehen. Anfangs verkehrte die Bahn auf der Zeiglinie auch nur alle zwei Stunden. Fahrkarten gab es beim Schaffner im Zuge. Am meisten Sorge machten die Fahrpreise, die bei der beginnenden Inflation sehr schnell anstiegen. Zur Förderung der Siedlungstätigkeit gab es für Grundstückseigentümer und Pächter, die noch nicht draußen wohnten, verbilligte „Siedlerkarten“.

 

Noch bis in die Dreißiger Jahre war im Sommer der Sonntags-Verkehr stärker als der Werktagsverkehr. Schon im Sommer-Fahrplan 1924 gab es deshalb sonntags zwischen 12 Uhr mittags und 8 Uhr abends sogar einen 30-Minuten-Verkehr. Wichtig für den Berufsverkehr war, dass morgens und abends mehrere Züge auf den Ring übergeleitet wurden. Eine wesentliche Verbesserung brachte das Jahr 1934, in dem die HHA die Betriebsführung der Walddörferbahn auf eigene Rechnung und Verantwortung übernahm und endlich der zweigleisige Ausbau zwischen Volksdorf und Buchenkamp durchgeführt wurde. Nun war erstmalig auch ein Betrieb in 20 Minuten Abstand möglich.

 

Daß man nach der Abtretung Groß-Hansdorf an Preußen in Berlin ohne Kenntnis der Sachlage sogar an eine Einstellung des Verkehrs auf die Zweiglinie dachte, muß hier als Kuriosität vermerkt werden.

 

Erst im und nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich die volle Bedeutung der Walddörferbahn. Die günstige Bahnverbindung ermöglichte es vielen Ausgebombten und Flüchtlingen, hier draußen zu wohnen und in Hamburg zu arbeiten. Schon wenige Tage nach Kriegsende konnte der Verkehr – wenn auch mit großen Einschränkungen – wieder aufgenommen werden. Nur lange Zeit mußten die Züge wegen der Kriegszerstörungen statt von Barmbeck nach Hauptbahnhof über Kellinghusenstraße nach Jungfernstieg umgeleitet werden.

Durch das Drängen von Bürgermeister Stelzner, der sich bei den Verhandlungen stets auf die im Staatsvertrag von 1912 festgelegte Gleichbehandlung der hamburgischen und außerhamburgischen Gemeinden berief, konnte 1958 erreicht werden, dass mit der Weiche in Ahrensburg-West und dem Umspannwerk in Schmalenbeck die Voraussetzungen für einen 10-Minuten-Betrieb in den Hauptverkehrszeiten geschaffen wurden. Moderne schnellere Wagen und die Führung der Walddörferbahn über die neue Wandsbeker Linie ermöglichten es, 1962 die Fahrzeit bis zum Hauptbahnhof um 4 Minuten zu verkürzen. So fanden die Vorstellungen der Planer und Gesetzgeber von 1912 nach genau 50 Jahren ihre Verwirklichung. Und was wäre Großhansdorf heute ohne den unauffälligen und selbstverständlichen Dienst dieser Bahn.

 

 

 

 

 

Anmerkung [*1]    In anderen Literaturquellen wird als Datum der 22.5.1919 genannt

 

         

 

 

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