Die Hochzeitsgebräuche


Originalauszug aus dem Buch

„Von einem unbekannten Volke in Deutschland“

veröffentlicht 1911 von

Ernst Seefried-Gulgowski

 (Hier abgedruckt als Nebenprodukt meiner privaten Heimat- u. Familienforschung)

Im Sommer ist keine Zeit zum Freien. Der Bauer hat reichliche Arbeit in Feld und Haus. Liebesgedanken kommen ihm kaum auf. So geschieht es höchst selten, daß vom Frühjahr bis zum Herbst im Dorfe Hochzeitsklänge ertönen. Was der Bauer tut, pflegt er gründlich zu erledigen. Und wenn er sich freuen will, so muß es mit Muße geschehen. Sogar der Mai, der Monat der Liebe, regt die Gemüter der jungen Burschen und Mägdlein nicht sonderlich auf. Dazu ist auch keine Zeit, denn es müssen Kartoffeln gepflanzt werden. Aber immerhin verbindet sich mit dem Einlegen der Knollen manch Herzenswunsch, daß die Kartoffeln recht groß geraten mögen, denn „bulwa to hopt“, (Die Kartoffel ist die Hauptsache.) Ihr gutes Gedeihen ist die erste Vorbedingung der Heiratslust.

Wenn im Herbst alle Arbeit getan ist, und der Advent mit seinen langen, stillen Abenden heranrückt, dann beginnt sich auch die Liebe zu regen. Die erste Brautschau spielt sich am Sonntage vor der Kirche ab. Die Mädchen und Burschen putzen sich auf das vorteilhafteste aus und besuchen fleißig die Kirche. Nach der Andacht geht man gewöhnlich in den Krug „jednego wipic“ (eins trinken). Die Burschen drängten sich um die Mädchen und traktierten sie mit süßem Likör, Wein oder Zuckerbier. Die Annahme oder Verweigerung des Trunkes ist das Zeichen der Zu- oder Abneigung.

Die Hochzeiten finden zwischen Neujahr und Fastnacht statt. Da die Zeit oft verhältnismäßig kurz ist, so bemächtigt sich der liebebedürftigen Jugend ein wahrer Heiratskoller. Denn wer den Anschluß verpaßt, der muß bis zum nächsten Winter warten. Es kommt fast gar nicht vor, daß ein paar junge Leute lange Zeit heimlich verlobt sind. Stürmische Liebe ist selten der Beweggrund zur Heirat. Sobald der junge Mann der Militärpflicht genügt hat, will er heiraten. Die passende Partie findet sich leicht. Man ist nicht gewohnt, in der Ferne zu suchen. Man bleibt im Orte. Die Dörfer bilden oft eine große Verwandtschaft. Fremde Elemente werden nicht gern gesehen.

Nach dem Feste der hl. drei Könige geht man „w rajbi“ (auf die Freie). Der junge Mann bespricht sich vorher mit dem „rajek“ (Heiratsvermittler), der ihn bei den Eltern der Auserwählten einführen soll. Vorerst gehen sie in den Krug, um sich ein wenig Mut anzutrinken. Mit einer „Versiegelten“ (Schnaps) in der einen Tasche und einer Flasche Landwein in der andern wandern sie dem Ziel zu. Der Besuch pflegt an einem Sonntagnachmittag zu geschehen, dann hat der Landmann Zeit.

Die Gäste werden mit einer gewissen Feierlichkeit vom  Hausherrn begrüßt und zum Sitzen eingeladen. Während der rajek seinen Platz neben dem Tisch wählt, findet der junge Mann wie zufällig einen Stuhl neben der „Zukünftigen“.

Die Unterhaltung ist anfangs recht einsilbig. Obwohl man die gegenseitigen Absichten genau kennt, kann man doch nicht so „mit der Tür ins Haus“ fallen. Man spricht vom Wetter, Pferden, Kühen, bis der Bauer eine „Versiegelte“ nebst einem Glas auf den Tisch stellt. – Es ist ein günstiges Zeichen. Man ist willkommen. Der Hausherr schenkt ein, trinkt, gießt den Rest aus dem Glase auf den Boden, spuckt aus und schenkt dem „rajek“ ein, dann dem Burschen und auch dem jungen Mädchen, das sich zwar etwas ziert, aber sich doch bereden läßt. Der junge Mann beeilt sich auch ein volles Glas der Frau des Hauses zu reichen, die sich am Kamin zu schaffen macht. Sie quittiert brummend, daß man sie in der Arbeit störe, trinkt aber doch. Die Frau tut sehr geschäftig, hantiert mit Tiegel und Pfanne. Man hört Eierschlagen. Aus dem Schornstein wird die große Speckseite hervorgeholt. Und wenn die breiten Scheiben auf dem Feuer schmoren, und der kräftige Duft das Zimmer durchdringt, so schwillt den jungen Leuten das Herz der Liebe – der Segen der Eltern ist ihnen sicher. In solchem Falle hat der rajek eine angenehme Mission zu erfüllen. Aber es kann auch anders kommen. Ist der Freier nicht willkommen, so ist der Bauer schweigsam. Es gibt keinen Schnaps und keinen Speckeierkuchen. Und der rajek wird seine „Versiegelte“ und seinen „Wein“ nicht los, und sie können sehen, wie sie auf dem Heimwege sich damit trösten.

Nachdem man ergiebig gespeist hatte, hold der „rajek“ seine Flaschen vor und läßt sie rundum gehen, dabei beginnt er in lebhaften Farben die Vorzüge des Freiers zu schildern. Der Besuch dauert beim Trinken und Reden meist bis tief in die Nacht.

Den nächsten Sonntag geht es „na wyglandy“ (auf die Brautschau, Ausschau). Die Eltern und das junge Mädchen machen den Gegenbesuch. Nach der Begrüßung werden die Viehställe, Scheunen, Speicher eingehend besichtigt. Darauf gibt es Kaffee, den obligatorischen Speckeierkuchen und Schnaps. Die beiderseitigen Väter und Mütter haben vieles zu besprechen, der Unterhaltungsstoff ist unerschöpflich. Vor allem wird die Höhe der Mitgift (poog) vereinbart.

Bei der Heirat übergibt der Vater gewöhnlich dem ältesten Sohne den Hof. Die andern Kinder werden mit Geld abgefunden, und die Eltern bleiben beim Grundstück und erhalten ihr Altenteil (deputot.) Es wird ein Überschlag gemacht, um zu sehen, wie das Besitztum belastet ist. Nun wird die Aussteuer der Braut vereinbart. Es gab nicht selten ein hartnäckiges Feilschen, bis man einig wurde.

Die jungen Leute geben sich meist mit dem Bescheid der Eltern zufrieden. Leidenschaftliche Liebschaften und Treuschwüre sind unbekannt. Übrigens ist es ganz überflüssig, sich aufzuregen, denn es ist vom lieben Gott alles vorher bestimmt. Die für einander Bestimmten finden sich, „wenn sie auch sieben Berge trennen sollten“. Die Burschen heiraten zwischen dem 22. und 26. und die Mädchen zwischen dem 16. und 21. Jahre. Junggesellen gibt es nicht, ebensowenig alte Jungfern.

Sind die jungen Leute versprochen, dann gehen sie alsbald zum Pfarrer, um das Aufgebot zu bestellen. Je nach dem Stande läßt sich der Bräutigam als „slawetny“ (ehrsamer), Preis 3 M., szanowny (achtungswerter), Preis 4 M. und, falls er adlig ist, szlachetny (edler), Preis 6 M., aufbieten. Die Kosten hat der junge Mann zu tragen.

Am zweiten Aufbietungssonntag ist die Verlobung. Dazu wurden die nächsten Verwandten und der „rajek“ eingeladen.

Die Ringe kauft der Bräutigam, für die Braut meist einen echt goldenen. Es soll ein Schmuckstück fürs ganze Leben sein. Für sich wählt er einen billigen, leicht vergoldeten Reifen, der nur den Glanz bis zur Trauung behält. Damit hat er seinen Zweck erfüllt. Bei der Feldarbeit kann der Bauer keine Ringe gebrauchen. Der Bräutigam schenkte früher zur Verlobung das Brautkleid. Sparsamkeit war nicht am Platze. Je nach dem Stande war es entweder schwarze Seide, oder schwarzer „Kamlot“ (eine Art Alpaka.) Die Braut schenkte ihm ein schwarzseidenes Halstuch.

Die Ringe werden auf den Teller gelegt, mit Weihwasser besprengt, und der Vater der Braut legt sie den Verlobten an. Nun gelten sie vor Gott und den Menschen für einander bestimmt, und es kommt selten vor, daß die Verlobung rückgängig gemacht wird.

Es beginnen die Vorbereitungen zur Hochzeit. Gespart darf nicht werden, und besonders bei den großen Bauern geht es hoch her. Es werden in der Regel 2 Schweine, 1 Rind, 3 Hammel, etwa 30 Gänse, eine Anzahl Enten und Hühner geschlachtet.

Die Hochzeit findet meist am Dienstag statt. Am Donnerstag der letzten Woche geht der Hochzeitsbitter mit den Einladungen aus. Es ist der schmuckste und gewandteste Bursche aus dem Dorfe. Er trug früher einen langen blauen Warprock, darüber eine rote Schärpe; die Brust, der Hut und der mächtige Stock waren mit einem Strauß künstlicher Blumen geschmückt. Wenn sich die Einladungen auch auf die benachbarten Ortschaften erstreckten, so kam der Hochzeitsbitter auf einem Pferde angeritten, das mit bunten Bändern geschmückt war. Vor dem Haus der Eingeladenen schoß er eine Pistole ab. Dann band er sein Pferd an, betrat die Stube und sagte den Hochzeitsspruch her. Die schönte Sitte ist im Aussterben. Neuerdings beginnt man gedruckte Karten zu verschicken. In meinem Dorfe habe ich mir das aber höflichst verbeten, und so hat sich wieder die alte Sitte eingebürgert. Es sei hier ein alter Hochzeitsbitterspruch aus Chmielno in der Übersetzung angeführt, der in den Mitteilungen für kaschubische Volkskunde Band I. S. 104 veröffentlicht wurde:

Meine Verbeugung der hochwohlgeboren Herrschaft, und dem ganzen Hause der hiesigen Herrschaft. Meinem Dienste folgend, bin ich hierhergeritten, Ihnen, Ihr Herrschaften, Frieden zu wünschen, mögen Sie hier, Ihr Herrschaften, freundlich oder nicht freundlich dem Gaste sein, denn wenn Sie ihm nicht freundlich sind, werden Sie ihn nicht schnell willkommen heißen.

Höchste, hochgeehrte Herrschaften, hochwohlgeborenen Freunde, es bittet das junge Paar, zunächst der Herr Bräutigam, dann das geehrte Fräulein Braut, daß ich mit dreistem Schritt vor Sie treten möchte, daß meine Bitte und Einladung bei Ihnen keiner Ausrede begegne, daß Sie sich keinen Weg machen weder nach Lauenburg noch nach Bütow, denn darüber würde ich große Kopfschmerzen haben.

Denn ich bin ein Mensch, gesandt zunächst von unserm Herrgott, von der allerheiligsten Jungfrau und von allen Heiligen, und hiernach von dem jungen Paar, welches sich zum Ehestand, zum heiligen Sakrament begibt.

Nicht also aus ihrem Willen noch aus meinem Willen, sondern auf Gottes Gebot bitte ich Sie mit den Töchterchen und den Brautjungfern, vierspännig im eisenbeschlagenen Wagen oder auch in lackierter Kalesche, die jungen Herren Söhne auf Pferdchen mit Musik und einem Paar Pistolen; dieses alles zur größeren Ehre dem jungen Paare.

Bitte auch besser sich anzukleiden, als ich es bin, den Sie hier vor sich sehen, und zwar zum nächsten Montag in der Frühe zum Hochzeitshause auf ein Gläschen Doppelbier, auch zu einem zweiten und dritten und so weiter mit der ganzen Gesellschaft, dann wird auch noch mehr vorgesetzt werden. Das wird eine Hochzeit mit Musik und Lustigkeit, welche wir mit Hüpfen und Springen genießen wollen.

Hernach wird die geehrte Braut und der Herr Bräutigam zum Gotteshause, der Kirche in Chmielno, um unsere Begleitung bitten. Dort werden wir beten, jeder wird ein Gebet sprechen zu Gott zur Ehre des Gotteshauses und der Trauhandlung. Wir werden den heiligen Geist bitten, daß der liebe Gott dem jungen Paare einen glücklichen Beginn und ein seliges Ende geben möge.

Darnach werden wir zurückfahren dach dem Orte unserer Ausfahrt und dort in die Schenke oder, gewöhnlich gesagt, ins Gasthaus. Dort werden alle den Herrschaften sich beugen und auch ich werde diese Ehre erzeigen. Dort wird man gern die Gläser vollschenken und Ihnen zutrinken, dabei werde auch ich wieder sein.

Darauf wird Sie das geehrte Fräulein Braut zum Hochzeitshause führen, dort wird für Sie alles aufgeboten sein, was unser Herrgott gegeben und die Köchin zusammengerührt, dort darf jeder essen und trinken, so lange er noch auf den Füßen stehen kann. Dort wird so viel Bier sein, daß jeder sich dreist kann betrinken. Dort werden sein ein paar Tonnen Bier, vier gebackene Brote und für Sie auch ein Anker Wein. Dort werden sein für die Herren Schafböcke, für die Männer Hammel, für die Frauen Schäfchen und für die Mädchen Lämmchen. Ein Ochse liegt geschlachtet in der Kammer, ein zweiter geht noch auf dem Hofe umher, aber wenn wir uns betrinken, werden wir auch noch diesen schlachten.

So Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, dann werden wir die geehrte Braut fragen, ob nun die Hochzeit begonnen oder schon zu Ende.

Jetzt endlich, meine Herrschaften, ich bin auf der Reise und bitte, daß mein Geldbeutel nicht leer bleibt, auch habe ich ein dunkelbraunes Pferden und bitte für dies um Futter.

Wenn ich Ihnen für diesesmal nicht genug getan, für’s nächstemal soll’s besser sein.

Gelobt sei Jesus Christus!

Der Hochzeitsbitter wird von der eingeladenen Familie freundlich begrüßt. Er wird nach diesem und jenem befragt, erhält zur Stärkung ein Gläschen Schnaps oder Bier. Oft gibt man ihm auch eine Münze.

Die Hochzeit findet stets im Hause der Braut statt. Sie wird in der Regel am Dienstag gefeiert. Die Geladenen schicken in das Hochzeitshaus am Tage vorher allerhand Eßwaren, als Butter, Pilze, Wurst, Speck, Geflügel, denn ein jeder ist bestrebt, seinem Stande entsprechend zu der Feier beizutragen.

Die Braut wählt sich zwei ihrer besten Freundinnen „do boku“ (zur Seite). Etwa 6 bis 10 Mädchen bilden die przedonci (Führerinnen.)

Die Trauung ist stets am Vormittag. Am frühen Morgen des Hochzeitstages wird die Braut feierlich geschmückt. Das Kleid bestand früher aus schwarzer Seide oder „Kamlot“, darüber band man eine rosa Schürze. Über der Schulter trug man ein buntes Umschlagtuch. Besonders sorgfältig wurde das Haar geflochten. Es gab zwei Haartrachten, die Alltags- und die Feiertagstracht. Am Werktage trugen die Mädchen die Haare glatt gescheitelt und durch einen einfachen Handknoten am Hinterkopf befestigt, darüber ein weißes oder buntes Kattunhäubchen. Am Sonntag und bei feierlichen Gelegenheiten wurde das Haar „w klupe“ gelegt. Es wurden drei Zöpfe geflochten, die man am Hinterkopf in kunstgerechter Weise zu einem Kranz zusammen legte.

Der feierlichste Moment der ganzen Hochzeit ist das Aufsetzen des Kranzes. In der Mitte der Stube steht ein Stuhl, auf dem die Braut Platz nimmt. Ring herum sind die Hochzeitsgäste versammelt. Eine der Brautjungfern bringt auf einem Teller den mit roten Bändern verzierten Myrtenkranz, die andere hält einen Teller mit Weihwasser. Die Mutter besprengt mit dem Weihwedel den Kranz und setzt ihn der Braut auf, während die Musik das Lied spielt: „Wer sich dem Schutze seines Gott vertrauet“. Nun beginnt ein fürchterliches Weinen. Die Braut, die Eltern, die Hochzeitsgäste, alles vergießt reichliche Tränen.

Ist ein Mädchen aber „gefallen“, so darf der wichtige Akt nicht stattfinden. Die Braut geht ohne Kranz zur Kirche. Das betrachten die Mädchen als eine so große Schande, daß sie schon aus dem Grunde um ihre Ehre besorgt sind. Es kommt tatsächlich höchst selten vor, daß ein Mädchen den „Kranz verliert“.

Die Brautjungfern und die „przedonci“ trugen früher ein grün oder rotbunt kariertes Kleid mit einer rosa Schürze, das Haar „w klupe“ geflochten, einen Blumenkranz auf dem Kopf, unterm Kinn große bunte Schleifen.

Da die Dörfer weit auseinander liegen, ein Kirchspiel oft einen Umkreis von 2 Meilen umfaßt, so hat man in den meisten Fällen eine weite Wagenfahrt zu machen. Je nach dem Wetter geht es im Wagen oder im Schlitten durch die einsamen Heiden dahin. Die Musik voran, der Hochzeitswagen bildet den Abschluß.

Die Trauung ist nach Möglichkeit mit der hl. Messe verbunden.

Der wichtige Lebensakt ist selbstverständlich bei den phantasiereichen Kaschuben nicht ohne Einfluß auf den Volksglauben geblieben.

Wenn sich bei der Braut die Schürze löst, so sagt man, der Bräutigam habe sie verlassen. – Ein junges Mädchen muß fleißig zum hl. Job beten, damit sie einen guten Mann bekommt. Und der Bursche betet: „do swianty Doroty, co by dostol dobry kobiety“ „zur hl. Dorothea, damit er eine gute Frau freit). –

Wenn der Bräutigam zur Trauung geht, so wendet er die Strohwische1) in seinen Stiefeln um. Die Braut bindet sich die Strümpfe mit einem Flachsband zu. –

Will man bei einer Person Gegenliebe erwecken, so verbrennt man einige Strohhalme der Stiefeleinlage und mischt die Asche unauffällig in die Speise oder den Trank der Geliebten ein. Es gibt aber hier ein Gegenmittel. Man muß mit der Stroheinlage dem Verliebten so ins Gesicht schlagen, daß Blut, und sei es nur ein Tropfen, fließt. Dann hört die Liebe auf. – Nach Anwendung eines solchen Radikalmittels wohl kein Wunder!

Wird der Strohsitz auf dem Brautwagen umgewendet, oder steckt jemand eine Nadel hinein, so lebt das junge Ehepaar unglücklich. –

Damit die Frau die Oberhand behält, soll sie bei der Trauung ein männliches Kleidungsstück anhaben. – Oder sie soll dem Bräutigam eine Nadel in den Kragen einstecken. – Die Braut soll darauf achten, daß während des Trauaktes ihre Hand oben liegt, dann behält sie auch stets im Hause die Herrschaft. Sie soll Geld von dem Bräutigam fordern, reicht er es ihr, muß sie ihm die ganze Börse entreißen, so wird er ohne ihr Wissen keinen Pfennig ausgeben können. –

Will sich ein verschmähter Liebhaber rächen, so steckt er unauffällig eine Nadel in das Kleid der Braut. Bemerkt sie es nicht, so muß sie bald nach der Hochzeit sterben. –

Böse Menschen können es auch so einrichten, daß der Hochzeitswagen nicht über die Dorfgrenze hinausfahren kann. Um dem vorzubeugen soll vor der Abfahrt das Evangelium des hl. Johannes gebetet werden. –

Sollen die Eheleute kinderlos  bleiben, so nimmt man ein Vorhängeschloß in die Kirche mit, und in dem Augenblicke, als der Geistliche mit der Stola die Hände bindet, schließt man das Schloß ab. –

Entnimmt jemand aus dem Wagensitz einen Strohhalm, zerreißt ihn und legt ihn wieder zurück, so leben die Eheleute in Unfrieden.

Aber die Brautleute kennen auch Mittel, sich den Frieden zu sichern. Während der Trauung müssen Sie so dicht zusammenknien, daß man zwischen beiden nicht durchsehen kann. Dann können ihnen die Hexen oder böse Menschen nicht schaden.

Man achtet auf die Altarkerzen. Brennen sie hell, so ist das Glück, brennen sie trübe, so bedeutet es Unglück. – Auf wessen Seite die Kerze mit einer kleineren Flamme brennt, der stirbt zuerst.

Wenn das junge Paar nach Hause kommt, so geht es gemeinsam alle Stuben, Ställe und Scheunen durch, damit die Wirtschaft gut gedeihe.

An die Hochzeitstafel setzt es sich gemeinschaftlich, damit man den einen nicht früher aus dem Hause trage.

Kehrt die Braut von er Trauung zurück, so reicht man ihr einen Laib Brot und ein Messer. Sie schneidet es in Stücke und verteilt es an alle Gäste, damit das Haus niemals Mangel leide. (Sanddorf.)

Dieser Volksglaube ist meist unschuldiger Natur und entbehrt nicht eines poetischen Reizes. Und es ist ein Zeichen von innerer, geistiger Armut, wenn die schönen Gebräuche verschwinden.

In die Kirche geht die Braut zwischen den beiden Brautjungfern und der Bräutigam neben dem Hochzeitsbitter. Erst am Altar kommen sie zusammen. Wenn an dem betreffenden Tage mehrere Trauungen stattfinden, und bei jeder einzelnen eine hl. Messe nicht gelesen werden kann, so wird der Betrag für eine später zu lesende Messe entrichtet.

Aus der Kirche begiebt man sich in den Dorkrug, wo etwa bis 3 oder 4 Uhr getanzt wird. Dann geht es in sausender Fahrt nach Hause. Wettfahrten sind an der Tagesordnung. Nicht selten kommen dabei Unglücksfälle vor. Es ist der Stolz der Wagenlenker, die schnellsten Pferde zu haben. Die Hochzeitsgäule sind nicht zu beneiden, so daß – nach dem Volksglauben – der Teufel geäußert haben soll, alles wollte er werden, nur kein Hochzeitspferd.

Wenn die Gäste und das junge Paar aus der Kirche kommen, wird zu Mittag gegessen, gewöhnlich zwischen 5 und 7 Uhr abends.

Tisch an Tisch wird zu einer langen Tafel aneinander gereiht. Ringsherum stehen einfache Holzbänke. Die großen Schüsseln werden auf getragen. Die vornehmen Gäste bekommen je einen Teller, die übrigen essen gewöhnlich aus einer gemeinsamen Schüssel. Messer und Gabel kennt man nur in besseren Familien.

Das Mahl ist sehr reichhaltig. Hungrig braucht keiner vom Tische aufzustehen. Es setzt sich etwa wie folgt zusammen:

1.      Hammelfleisch mit Suppe und Kartoffeln,

2.      Dicker Reis mit Rosinen und Hammelfleischsuppe,

3.      Hühnerfleisch mit süßer Rosinensauce,

4.      Verschiedenartige Braten,

5.      Borszcz, gewissermaßen ein Nationalgericht, das bei keiner Hochzeit fehlen darf. Es besteht aus Gerstengrütze mit Gänsefleisch, Pilzen und Obst, gesäuert mit Quas.

Zum Trinken gibt es Braunbier, Schnaps und Wacholderbier. Das letztere Getränk war früher sehr beliebt und verbreitet. Die Wacholderbeeren wurden im Wasser geweicht, in der „stampa“ (Grützstampfe) zum Brei zermalmt, im Eimer gewässert, darauf gekocht, in ein Faß gefüllt, damit sich die Flüssigkeit setzte. Das „Bier“ wurde auf Flaschen abgezogen und war sofort trinkbar. Sollte es sich länger halten, so setzte man nach dem Durchseien etwas Hefe und Zucker bei. Nach dem Gärungsprozeß füllte man das Bier in Flaschen. Es war ein leichtmoussierendes, süßsäuerliches Getränk und hatte wegen seiner harntreibenden Wirkung gesundheitliche Vorzüge.

Nach dem Essen wird getanzt, wobei oft in Begleitung zur Musik schalkhafte Lieder gesungen werden. Da die Stuben verhältnismäßig klein sind, so steht der druzba (Hochzeitsbitter) in der Mitte und ordnet die tanzenden Paare, damit das Gedränge nicht zu groß werde.

Gegen 11 Uhr nachts beginnt der Brauttanz (brutci tonc). Die junge Frau tanzt zuerst mit der Brautführerin. Diese führt alsdann die Hochzeitsgäste, zuerst die Männer, dann die Frauen und Mädchen der jungen Frau zum Tanz zu, indem sie mit ihnen erst einen Rundtanz macht. Nach dem Tanz spendet jeder Gast die Hochzeitsgabe, die in Geld besteht. Auf dem Tisch stehen zwei ineinanderpassende Teller. Auf den oberen Teller wirft man das Geldstück. In den meisten Fällen wird ein „twardy talor“ (ein harter Taler) geopfert, der mit möglichst großer Wucht auf den Teller geworfen wird, mit der Absicht, den Teller zu zerbrechen. Je mehr Scherben, desto gesicherter ist das Glück des jungen Paares. Zur Stärkung erhält der Spender einen Schnaps. – Je nach der Größe der Hochzeit kommen bei sochen Gelegenheiten 100 bis 600 Mark zusammen. Das Geld behält das junge Ehepaar für die ersten Bedürfnisse ihres neuen Hausstandes. Hochzeitsgeschenke in natura, als Geschirr, Lampen, Uhren usw., wie sie jetzt fast überall üblich sind, kennt man nicht. Und es muß zugestanden werden, daß der alte Brauch sehr praktisch ist. Heute weiß sich oft ein junges Ehepaar vor lauter Kaffeekannen, Lampen, Regulatoren kaum zu retten. Hat es aber bares Geld, so kann es sich nach eigenem Ermessen alles Nötige einkaufen.

Nach dem Brauttanz folgt der Verkauf der Braut. Die junge Frau steht in der Mitte der Stube, neben ihr der Ehemann. Es öffnet sich die Tür und der rajek (Heiratsvermittler) kommt in Begleitung eines „Händler-Juden“ herein, der einen großen Geldsack auf dem Rücken trägt. Der „Händler“ äußert, daß er gehört habe, hier gäbe es etwas zu verkaufen. Der rajek führt nun die Braut vor, indem er mit ihr tanzt.

Der Händler mustert sie kritisch, und sagt, er könne nicht viel geben, denn sie habe alle möglichen Fehler, z. B. sie hat schiefe Schultern, krumme Füße, sie schielt, sie ist faul usw. Der „rajek“ stellt dagegen die Tugenden auf. Der derbe Volkswitz spielt bei diesem „Handel“ eine große Rolle zur allgemeinen Erheiterung der Hochzeitsgäste. Zuletzt nennt der „Jude“ einen Preis, der junge Ehemann überbietet ihn. Es beginnt ein hartnäckiges Feilschen um die Braut, wobei der protzige „Jude“ mit dem Geldsack (der mit Scherben oder Eisenstücken gefüllt ist) auf den Boden schlägt. Schließlich kommt er mit dem jungen Ehemann ins Handgemenge. Die Zuschauer ergreifen die Partei des „Bräutigams“, und mit großem Radau wird der „Jude“ hinausgeworfen. – Nun erst gehören die jungen Leute einander an, und sie machen gemeinsam den Abschlußtanz.

Darauf erfolgt die Kranzabnahme „oczepiny“. Die junge Frau sitzt auf einem Stuhl mitten in der Stube und eine ältere Verwandte nimmt ihr den Kranz ab und setzt ihr eine weiße Haube, das Zeichen der Frau, auf.

Damit sind für das junge Paar die Hochzeitsfeierlichkeiten zu Ende.

Die Gäste, namentlich die Jugend, vergnügen sich bei Spiel und Tanz bis zum frühen Morgen.

Es geht meist lustig  her. Die Burschen verkleiden sich als Bärenführer, Bullenführer usw. und halten zur Belustigung der Gäste Umzüge.

Aber auch alte Volkstänze werden aufgeführt. Der „Barbiertanz“ ist gleichzeitig ein tragi-komisches Schauspiel. Der Barbier mit zwei Gehilfen, in weiße Hemden entsprechend kostümiert, betreten die Tanzstube. Der Barbier trägt einen Kasten mit Rasiermessern (alle möglichen alten Küchenmesser werden dazu ausgesucht) und den Seifennapf mit dem Pinsel (ein Wassereimer, in dem ein Besen steckt.) Die Gehilfen folgen mit dem Schleifstein (es ist ein Rad von eine Handkarre).

Die Musik spielt die Barbiermelodie:

 

Jetzt barbier mich, jetzt barbier mich, aber schneide mich nicht;

jetzt barbier mich, jetzt barbier mich, aber schneide mich nicht.

Und wer mich wird schneiden, den soll der Teufel holen!

jetzt barbier mich, jetzt barbier mich, aber schneide mich nicht.

 

Im Takt bewegt sich die Barbiergruppe in der Stube, die Zuschauer singen den Text zu der Melodie. Der Barbier wählt sich aus den Umstehenden einen Mann, mit dem gewöhnlich vorher vereinbart ist, setzt ihn auf den in der Mitte der Stube stehenden Stuhl und bindet ihm ein weißes Laken um. Der Barbier beginnt das „Opfer“ einzuseifen. Aber dem Wasser ist Ruß beigemengt, so daß das Gesicht des Mannes ganz schwarz wird. Nun schleift der Barbier sein Messer an dem Karrenrad, indem die Gehilfen es drehen. Aber ein Messer scheint stumpfer zu sein, als das andere. Der Barbier zeigt sich sehr ungeschickt und schneidet dem Mann die Kehle durch. Eine große Aufregung entsteht, alles ruft nach dem Arzt, der auch bald sich einfindet. Er hat in einem Kasten allerhand Flaschen mit Medizin und stellt mit dem „Toten“ Belebungsversuche an; aber vergeblich. Zuletzt beginnt er ihm von der „Rückansicht“ Luft einzupumpen. Da springt der Mann auf, fängt den Barbier zu prügeln an, und die ganze Gesellschaft läuft  hinaus. –

 

[Der Autor führt hier folgend die Melodien und dazugehörige Spielabläufe verschiedener Lieder an:

Schäfertanz. Taubentanz. Schustertanz.

Weiterhin werden Text und Melodie der folgenden Volkslieder dargestellt:

Ein Vater hatte drei Töchter

Linde, Linde, Lindebäumchen

Es stand eine Linde.

Janek diente im Schlosse.]

 

Einen ganzen Tag und eine Nacht hindurch dauern die Hochzeitsfeierlichkeiten auf dem Lande auch jetzt noch. Aber früher kam es fast gar nicht vor, daß die Feier in einem Tage den Abschluß fand. Eine Hochzeit war im Dorfe stets ein Ereignis. Es war ein Volksfest im besten Sinne des Wortes, denn das ganze Dorf war geladen. Im Winter hat der Landmann reichlich Zeit und vergnügt sich gerne. Der Hochzeitsvater hatte dann auch gewöhnlich die Musik für die ganze Woche bestellt. Die Spielleute kamen schon am Montag Mittag. Die Jugend nahm sie in Beschlag, und um im Hochzeitshaus nicht zu stören, wurde im Kruge oder in einem Privathause getanzt. Am Dienstag war die Hochzeit. Der Mittwoch und Donnerstag gehörte wieder der Jugend. Es wurden Umzüge im Dorfe gehalten, die Hauptsache blieb aber der Tanz. Erst am Freitag Morgen verließen die Musikanten das Dorf.

Am Mittwoch oder Donnerstag fanden in der Regel die „przenosyny“ (Umzug nach dem neuen Heim) der jungen Frau statt. Die Aussteuer spielte keine Rolle. Möbel wurden in den seltensten Fällen mitgegeben; das fand die junge Frau im Hause ihres Mannes vor. Es wurde meist kein neuer Hausstand gegründet, denn entweder heiratete die Tochter den Erben eines Bauernhofes oder umgekehrt, der Bauernsohn trat in die Wirtschaft als Besitzer ein, und in beiden Fällen war das Mobiliar vorhanden. Nur Wäsche und Betten erhielt die Braut in reichlicher Menge. Und nach der Schwere der bemalten Truhe mit dem selbstgewebten Linnen und der Anzahl der Federbetten wurde die Würde der jungen Frau bemessen.

 

 

1) Die Leute tragen in den Stiefeln eine Stroheinlage, die vor Nässe und Kälte schützen soll.

 

 

 

 


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