Der Name „Kaschubei“


Originaltext eines Aufsatzes von

Isidor Gulgowski

... veröffentlicht 1912 in den „Mitteilungen des Vereins für Kaschubische Volkskunde“

- Herausgeber: Dr. F. Lorentz und I. Gulgowski -

(Hier abgedruckt als Nebenprodukt meiner privaten Heimat- u. Familienforschung)

 

Über den Ursprung des Wortes „Kaschubei“ sind sich die Gelehrten uneinig. Man ist noch zu keinem endgültigen Resultat gekommen. Im Nachstehenden mag eine Blütenlese der verschiedenartigen Erklärungsweisen folgen:

C. C. Mrongovius, Prediger zu St. Annen, Lektor der polnischen Sprache am Gymnasium zu Danzig schreibt in seinem Deutsch-Polnischen Wörterbuch auf S. 348 unter „Kaschube“: Sie nennen sich kaszeba von kożuch der Pelz, oder von dem im Polnischen veralteten, aber im Böhm. und Russ. noch üblichen Wort koża, das Fell, die Haut; denn an der kalten Ostsee wohnend tragen sie lange Schafpelze, Tierfelle; die tiefer im Lande wohnenden fingen an Tuchröcke zu tragen, kabat, daher wurden sie Kabatker genannt. (Das Wörterbuch erschien im Jahre 1837.)

Der kaschubische Volksschriftsteller Derdowski kennt eine wesentlich andere Ableitung. Er schreibt: Die Wiege der Kaschuben waren die Ufer der unteren Oder, wo es viele Sümpfe und Moorbrüche gibt. Ähnliche Sümpfe sind auch auf dem südlichen Ufer des Lebasees, im heutigen Pommern. Diese Sümpfe oder vielmehr eine Grasart „wiklina“ (nach Mrongovius: Rispengras), das darauf wächst, nennt das dort wohnhafte slavische Volk „koszebe“. Davon soll der Name Kaschube entstanden sein.

Reinhold Kramer, Direktor in Bütow, der im Jahre 1858 eine „Geschichte der Lande Lauenburg und Bütow“ herausgab, schreibt von den Kaschuben folgendes: „Neben den Wenden werden als alte Bewohner von Pommern die Cassuben genannt. Die Cassuben sind mit den Polen stammverwandt, ein slavischer Völkerzweig, der nach dem Zeugnisse des alten pommerschen Chronisten Kantzow zuerst in der Gegend von Neustettin und Belgard auftritt, von dort aber ganz verschwunden und weiter nach Osten gezogen ist und sich im südlichen Teile von Bütow, sowie im nördlichen Teile der Lande Stolp und Lauenburg, noch mehr aber im heutigen Regierungsbezirk Danzig ausgebreitet und bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Die Cassuben haben ihren Namen von ihrer Tracht erhalten. Der polnische Schriftsteller Boguphal meldet von ihnen, daß sie lange und weit gefaltete Kleider getragen, und daß ihr Führer nahe an der See gewohnt: „Est quaedam gens slavonica, quae Cassubitae dicuntur, et hi a longitudine et latitudine vestium, quas plicare ipsos propter earum latitudinem et longitudinem oportebat, sunt appellati. Nam huba in slavonico plica (Falte) seu ruga vestium dicitur. Unde casz hubi, id est, plica rugas interpretatur (1).”

Der spätere Schriftsteller Polens Długosz stimmt mit dieser Ableitung des Wortes überein, indem er sich klar dahin ausspricht: „Kaszubiani a plicatione rugarum in vestimentis, quibus primum vestiri consueverant, sunt appellati. Huba enim in Polonico seu Slavonico dicitur ruga. Kasz autem dicitur plica in modo imperativo (2). Auch er setzt die Kaschuben unter die Völker, die an der See gewohnt. Sie haben – das kann man mit Bestimmtheit annehmen – besondere Fürsten gehabt. Ihre Sprache, die von der plattpolnischen nur wenig abweicht, hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Auch ihre Kleidung ist ihnen eigentümlich. An ihren langen Röcken und grauen Pelzmützen sind die Cassuben sehr leicht zu erkennen und von ihren deutschen Nachbarn ohne Mühe zu unterscheiden. Sie sind gehorsam und unterwürfig, zähe und standhaft, gottesfürchtig und kirchlich.“

Urkundliche Unterlagen haben alle die Ableitungen nicht. Inwieweit sie eine Berechtigung haben, bleibt einer späteren Erörterung vorbehalten.

*  *  *

 

Es mögen hier noch einige weitere Erklärungen des Namens „Kaschuben“ erwähnt werden:

Linde sagt im Anschluß an Naruszewicz: „Z nazwiska dawnych Kizynów, narodu Lutyków, i z niem. Hube, pewny wymiar gruntów znaczącego, mogło w czasu urość nazwisko Kiszubów czyli Kaszubów (3).”

Šafařik, Slav. Altertumsk., verweist auf masur. kaszubka  „verschnittenes Huhn“ und slovak. koszut „Böcklein“.

W. Czajewski, Kaszubi, schreibt: „Wyraz ‚kaszuba’ składa się z koz i szuba czyli kozszuba (kozia szuba), ztąd powstalo Koszuba, póżniej na Kaszuba (4).”

Die jüngste Auseinandersetzung über diesen Namen findet sich bei Fr. Tetzner, Die Slovinzen und Lebakaschuben S. 1 f.: „Im Litauischen gibt es ein Wort, das wird viel verwendet, aber niemand weiß recht, was es bedeutet, es heißt kuzabas und wird unter anderem zur Bezeichnung des Mühlstein-Loches gebraucht, das zum Einschütten des Getreides dient. Auch eine Tüte aus Erlenrinde und das Loch im hohlen Baum, in dem Waldbienen hausen, sowie ein Korb aus Rinde zum Beerensammeln führen diesen Namen. Das kleinrussische kozub bedeutet gleichfalls ein Korb, und auch das deutsche Wort Kötze, Kütze hat man mit dem slavischen Wort in Verbindung gebracht. Die polnischen Worte kazub, kozub, kazubek, kadlubek  entsprechen jenem litauischen Worte und bezeichnen ein Rinden- oder Bastgefäß, z.B. einen Brutkorb für Tauben. In der Putziger Gegend kommt, wie Berkas Wörterbuch berichtet, ein Wort kaszeb  in der Bedeutung „Gefäß aus Baumrinde“ vor, und im Kaschubischen  heißt ein Stück Baumstamm, das an der Krone angefault ist: kuzeb. Mit kozub, kaszeb bezeichnet man ein kegelförmiges Gefäß aus Baumrinde zum Beerensammeln, Ein solches einen Liter haltendes Gefäß heißt Litauisch aukszlis.

Alle jene Wörter stehen dem Namen der Kaschuben am nächsten, ohne daß die Bedeutung genau anzugeben wäre. Ist somit auch die alte Ableitung von szuba (Jacke) in Abrede zu stellen, so könnte doch wieder das Lit. kuzas (Jacke), dafür sprechen, daß die eigenartigen kaschubischen Kleider den Namen bestimmten.“

Über den heutigen deutschen Namen „Kassuben“ schreibt Tetzner ebd. S. 2f.: „Die slawische Schreibweise mit sz in kaszeba, kaszuba hat die deutsche beeinflußt und jenen Laut mit der lateinischen Schreibart in ss verwandelt, gegen die wirkliche Aussprache. Denn in slawischen und baltischen Wörtern entspricht sz immer sch. Wo nicht gelehrter Einfluß vorliegt, spricht jedermann Kaschuben, nicht Kassuben.“ Diese sonderbare Ansicht hat merkwürdigerweise den Beifall Łęgowskis, Die Slovinzen im Kreise Stolp, S. 7, gefunden: in Wirklichkeit beruht aber die Aussprache „Kassuben“ auf dem Westpommerschen, wo der Laut š in s übergegangen war (ebenso wie č ž in c z) während „Kaschuben“ die ostpommersche Aussprache widergibt.

Es gibt ein polnisches Wort kaszuba „Streckofen in der Glashütte“. Mich wundert, daß noch niemand den Volksnamen hiervon abgeleitet hat!

Der Name „Kaschuben“ ist eben wie so viele andere Völkernamen unerklärt; daß er ursprünglich ein Spottname gewesen ist, wie vielfach behauptet wird, ist durch nichts bewiesen und auch recht unwahrscheinlich.

 

1)       Es gibt einen slavischen Stamm, welcher Cassubitae genannt wird, und diese haben ihren Namen von der Länge und Weite der Kleider, welche sie wegen der Länge und Weite in Falten legen müssen. Denn huba heißt im Slavischen Falte. Daher wird kasz hubi mit „lege in Falten“ übersetzt.

2)       Die Kaszubiani haben ihren Namen von der Faltung der Kleider, die sie zuerst zu tragen pflegten. Huba heißt nämlich im Polnischen oder Slavischen die Falte. Kasz aber heißt „Falte“ im modus imperativus.

3)       Aus dem Namen der alten Kizyner, eines Stammes der Lutiker, und dem deutschen Hube, welche ein gewisses Landmaß bezeichnet, konnte im Laufe der Zeit der Name Kischuben oder Kaschuben erwachsen.

4)       Der Ausdruck „kaszuba“ setzt sich zusammen aus koz und szuba oder kozszuba (kozia szuba, d. i. Ziegenpelz), daraus entstand Koszuba, das später in Kaszuba umgeändert wurde.

 


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