Großhansdorfer
Straßen- und
Wegenamen
Originaltext eines Aufsatzes von Studienrat i. R. Martin Wulf
in: „Südstormarn. Unsere Heimat zwischen Ahrensburg und Trittau“
(1960)
Die erste vom Volksmund benannte Straße
Großhansdorfs dürfte wohl „de Dörpstraat“ gewesen sein, wie sie noch heute im
Bewußtsein der Eingesessenen lebendig ist. In unserem Jahrhundert erst wurde
sie amtlich zur Hoisdorfer Landstraße. Ihr vom Dorf nach der einstigen Wassermühle
verlaufendes Stück wurde 1932 weit passender in Hansdorfer Mühlendamm umbenannt. Ein Damm ist in
der Regel ein dorfnaher Wegezug, weil er oft kopfsteingepflastert ist oder
sonst seiner Vielbenutztheit wegen besser instandgehalten wird. Ein solcher ist
der Wöhrendamm als Verkehrsweg nach Schmalenbeck.
Sein geschichtliches Bestimmungswort führt uns bis in die Gründungszeit des
Dorfes zurück; dessen Sinn aber ist immer noch nicht voll geklärt. Eine „Wort“
(Wöhr) ist wie Warft und Werft wohl ursprünglich ein in wasserhaltiger Umgebung
aufgeworfener Wohnhügel; doch scheint der Begriff auch auf bewohnte natürliche
Anhöhen übertragen worden zu sein. Er kann somit den gesamten Dorfraum wie auch
jeden Einzelhof mit seinem unmittelbar angrenzenden Kulturland wie auch eine
noch freiliegende Dorffläche bezeichnen. Solche „Wort“-namen finden sich in
vielen stormarnschen Dörfern. Vermutlich ist mit ihnen auch ein Rechtsbegriff,
eben der des Wohn- oder Anbaurechts, verbunden. Die Hansdorfer Wöhren
(niederdeutsch „Weurn“) erstrecken sich bis an den Eilbergweg; die Karten von
1781 und 1806 nennen das ausgedehnte Gebiet „Auf den Wören“, „Auf der Wort“ und
„Wort Wiese“. Für die Hauptstraße des hier jüngst erschlossenen
Siedlungsgeländes hat man Up de Worth gewählt. Das an die einstigen Hauskoppeln der „Wören“ anschließende Weideland war den Schafen
vorbehalten, wie der 1947 benannte „Schaapkamp“ beweist.
Alt ist auch der Beimoorweg, wenn auch nicht in dieser Namensform. Ein
ihm angrenzender Acker „Beym Hammorer Wegen“ der Karten von 1781 und 1806 bezeugt
den ursprünglichen, sicher schon
mittelalterlichen Namen. Was aber bedeutet das „bei“ in dem heutigen Wort, das
sich auf den auf anmoorig-sandigem Boden eines eiszeitlichen Stausees stehenden
großen „Forst Beimoor“ bezieht? Als das Wildgelände im Jahre 1327 von dem
Grafen Johann III. von Holstein-Stormarn zum Urbarmachen an das Kloster
Reinfeld geschenkt wird, heißt es „beygemor“. Erst die neueste Forschung
vermutet, weil andere Erklärungen versagen, in „Beyge“ oder „Beye“ den Namen
eines der angesetzten Siedler jener Zeit.
In die Erstzeit von Hansdorf führt uns auch die
schon bei Schmalenbeck erwähnte Papenwisch, in der sich ein heute noch eingesessenes
Bauerngeschlecht kundtut. Die fünfte und letzte Hufe des Dorfes wurde
vermutlich zwischen 1274 und 1295 von dem es besitzenden Hospital zum Heiligen
Geist in Hamburg begründet; ihr wurde auch der Schmalenbecker Boden zugewiesen.
Ihren Inhaber aber nannte der Hansdorfer Volksmund wohl den „Papenbur“ und
später einfach Pape (Paape). Das Geschlecht würde somit nahezu sieben
Jahrhunderte lang im Dorfe sein!
Und in das ausgehende Mittelalter geht endlich der
dritte, diesmal deutlich erkennbare geschichtliche Personenname zurück, den der
in Richtung auf die Apelswiese an der Aue führende Apelsweg bezeugt. Mit ihm eröffnet
sich uns ein Blick in eine auffällig regsame Tätigkeit Hamburgs auf der
nördlichen Flur des 1437 von ihm erworbenen Dorfs. Die Kämmereirechnungen
verzeichnen 1418 für Johannestorp ein neues Haus, das später „fortalitium“
heißt und von dem Reste an der Aue gefunden sind. Welchen Sinn aber hatte die
„Kleine Festung“ auf der dorfentlegenen Flur? Sollte sie die Annahme
bestätigen, daß Hamburg seine Walddörfer im besonderen Hinblick auf den Schutz
seines so lebenswichtigen Handelsweges nach Lübeck erworben hat? Denn die
vermutlich älteste Verbindung zwischen den Hansestädten verlief über Oldesloe –
Rümpel – Klinken – Hammoor und Hansdorf. Im schwer zugänglichen Sumpfwald des
„Wunnekenbrook“ – richtiger wohl „Munnekenbrook“, worauf das heutige Mönkenbrook
bei Elmenhorst hindeutet – waren die Frachtwagenzüge immer wieder der
schlimmsten Wegelagerei ausgesetzt, so daß Hamburg oft seine „Reitenden Diener“
dorthin schicken mußte. Daher mag es das „Fortalitium“ als Polizeistation an
dem vorgeschobensten Punkt seines in Stormarn belegenen Besitzes errichtet
haben. Und es ist gewiß kein Zufall, daß es im gleichen Jahr geschah, in dem es
auch seinem die Polizeigewalt ausübenden Waldreiter in Hansdorf ein Haus
erbaute. 1480 schon kaufte die Stadt von Henneke Appel ein der kleinen
Wehranlage benachbartes Haus für 24 Mark hinzu. Es ist auch durchaus möglich,
daß sie einen Warenstapelplatz schützen sollte, worauf der nahe Flurname „Auf
der Hude“ hinzudeuten scheint.
Ganz neuzeitliche Personennamen sind in dem Hermesstieg und dem Brabandstieg enthalten. Der erste
befindet sich auf dem Wöhrengelände und bewahrt das Gedenken an den einmal hier
grundbesitzenden bekannten Hamburger Verleger Richard Hermes; der zweite auf dem Aufschließungsgebiet am Walde Himmelshorst
erinnert an die Vorbesitzer Braband. Sonderlich aufschlußreich für
Groß-Hansdorfs Ortsgeschichte ist, wie für Schmalenbeck, auch das aus der
Bäuerlichen Feldflur und dem Waldbild erwachsene Namensgut. Mittelalterliche
Äcker sehen wir aus den beiden nördlich des Dorfs verlaufenden Wegen Radeland und Rümeland vor dem inneren Blick
entstehen. Hier hat man im Auegebiet den zwischen dem Beimoor und heutigem
Buchenhochwald sich ursprünglich wohl ebenfalls geschlossen dehnenden Wald
„gerodet“ und „geräumt“, schwere Arbeit
für die Axt des Neubauern, die der Brand unterstützte. Der Weg Radeland
befindet sich allerdings auf der langen Koppel „Auf den Kalen“ (1781) oder „Auf
den Kahlern“ (1806), auf der das Schullandheim „Erlenried“ liegt, während die
namengebende Flur sich östlich an diese anschließt. Auf dem Radeland liegt das
Wasserwerk Großhansdorf. Auch die „Kalen“ erzählen vom Kahlschlag des Waldes.
Den verbleibenden Waldbestand, vor allem das in
ungemeiner Fülle vorhandene Weichholz ihrer Flur, wußten die Hansdorfer –
ebenso wie die Schmalenbecker den ihren – sicher schon früh durch Köhlerei zu
nutzen. War doch der gesamte Nordostwinkel der Hansdorfer Gemarkung, die
„Braunschalen“, bis zur Verkoppelung von 1806 noch walderfüllt! Alles Weichholz
aber gehörte den Bauern. Hamburg verlangte dafür jährlich nur einige Säcke
Holzkohlen von jedem Hufner. Sogar die Hoisdorfer holten sich des öfteren
Stämme zum Kohlenbrennen von der Hansdorfer und Schmalenbecker Gemarkung. An
den einst so wichtigen Betrieb erinnert heute der Weg Mielerstede (Meilerstätte) auf der
gleichnamigen Flur, wobei das Wort im Dorf allerdings als „Millerste“
gesprochen wird. Noch heute kennt man Kohlenstellen in diesem Gebiet. Möglich
wäre es auch, daß die genannten benachbarten „Kalen“ auf die Köhlerei
hindeuten, aber wegen der Lautgleichheit des niederdeutschen a in „kahl“ und
„Kohlen“ muß die Frage unentschieden bleiben. Doch ist, wie erwähnt, dem
„Kahlschlag“ als Rodegebiet wohl der Vorzug zu geben. Mit dem Aufkommen einer
neuen Forstwirtschaft verbot Hamburg im Jahre 1798 endgültig den so
waldschädigenden Meilerbetrieb.
Eine „Kamp“-Feldflur hat nur im Deefkamp zu einem Wegnamen geführt.
Der überlegene Volkshumor hat mit ihm wohl feststellen wollen, daß der dorfnahe
Acker recht oft von Leuten heimgesucht wurde, die ernten wollten, wo sie nicht
gesät hatten. „Depenwisch“ bezeichnet eine
tiefliegende Wiese. - Dem Walddorfcharakter fügt sich der Eilbergweg ein, an
dem die Endstation der Hochbahn liegt und der heute die Ladenstraße des Ortes
ist. Er ist auf den auf hohen Endmoränenkuppen belegenen Waldteil „Eilberg“
gerichtet. – In Eilbergdiekswiese und Eilreyenwiese (1781) tritt ebenfalls das
schwer deutbare Bestimmungswort auf. Vielleicht ist es das niederdeutsche Wort
für „Erle“, wie es im Stadtwald „Eilenriede“ von Hannover erscheint. Aus der
sumpfigen Niederung (reye = Bach), in der die Erle noch heute stark auftritt,
müßte sich das Wort dann auch auf die Hügel übertragen haben.
Eine bisher noch ungedeutete Besonderheit ist der
Wegname Himmelshorst, der den auf schönbewegten
Endmoränenhügeln liegenden gleichnamigen Buchenhochwald sowie die Rauhen Berge
begleitet. Eine der den Weg randenden Höhen ist heute von einer mächtigen
Kiesgrube bis auf das Grundwasser ausgebeutet. Kapitänleutnant Bielcke schreibt
1772 treuherzig „Himmlischen Horden“, wobei er sogar das Grundwort des alten
Namens mißverstanden hat. Wahrscheinlich ist „Himmel“ die Verkleinerung der
Wortwurzel „ham“, die „vorspringende Ecke“ bedeutet. Das altsächsische „Hamme“
bezeichnet eine deutlich in eine Niederung vorgeschobene Höhe. „Hamburg“, die
alte „Hammaburg“, ist dafür das bekannteste Beispiel, dem sich ebenso
bezeichnend das Dorf Hammah bei Stade auf einem marschumgebenen Geestrücken,
Hamme in Dithmarschen und Hemme bei Bremen anreihen. Auch die Moränenhöhe
Himmelhorst springt so unmittelbar in die Viebachniederung vor, daß die
naturkundigen einstigen Namensgeber diese Besonderheit gewiß beobachtet haben .
Das kurze i des Wortes braucht wegen seiner dem kurzen e lautlichen Nähe dieser
Annahme durchaus nicht entgegenzustehen.
Großhansdorfs entlegenster Siedlungsweg ist der vom
Beimoorweg bis in die Auennähe führende „An der Hege“. Sein schlichter, auf ein
Waldgehege hinweisender Name berichtet nichts mehr von der einstigen
bedeutsamen landwirtschaftlichen Pionierarbeit in seinem Gebiet, die ab 1730 zu
dem 50 ha großen „Gehöft Beimoor“ geführt hat. Und doch war dieser Hof ein
Beitrag Hamburgs zu dem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in
Schleswig-Holstein überall imgange befindlichen Bestreben der Gewinnung neuen
Kulturbodens! Die Stadt verkaufte damals ein bedeutendes Waldstück zum Aufroden
und legte dem neuen Gewese auch reichlich nahes Wiesenland bei. Im Jahre 1768
rückte das einsame „Gehöft“ sogar ins Licht der großen Geschichte, als Hamburg
es dem Besitzer des angrenzenden großen Adelsgutes Ahrensburg, dem
„Schatzmeister“ der dänischen Krone, Carl Heinrich Schimmelmann, in
„immerwährende Erbpacht“ überließ. Es geschah als Dank für das Mitwirken des
einflußreichen Mannes am „Gottorper Vergleich“, durch den Dänemark endlich die
Reichsfreiheit Hamburgs anerkannte. Auch heute noch wird auf dem inzwischen in
andere Hände übergegangen Besitz Landwirtschaft betrieben. Ein Stallgebäude und
zwei reetgedeckte Arbeiterkaten aber erinnern noch an die alte Zeit. Den ersten
hat der Hansdorfer Volksmund mit dem Scherznamen „In’n Putt“ (Topf) bedacht,
den zweiten mit „Gele Heen“ (Henne). Er ist jetzt Wohnhaus der Bauernstelle
Stahl und enthält auch eine Gaststätte.
Auf die Hügel der Hansdorfer Landschaft verweisen
außer dem schon genannten Eilbergweg der Pinnberg und der Vossberg. Der erste bezieht sich auf eine von den alten
Karten als Einzelkuppe scharf abgehobene Sandhöhe, die heute für Bauzwecke
abgegraben ist, sein Bestimmungswort „pinn“ bedeutet klein. Der andere lehnt
sich an einen ebenfalls fast abgetragenen Endmoränenhügel des
Aufschließungsgeländes Braband an der Himmelshorst an.
Durch den tiefen Taleinschnitt des Mälenbäk führt
der Flurweg Halenfort. Die „Hohle Furt“ wird
sonderlich anschaulich vor dem Hintergrund der gerade sich mächtig aufwölbenden
Rauhen Berge. Auf der nördlichen Uferhöhe „Auf
dem Holen Forth“ (1772) liegt die heutige große Lungenheilstätte. Wohl
früh schon verlief durch die Senke ein kürzender Weg nach Schmalenbeck.
Der heimischen Tierwelt ist nur der schon seines
Hügelcharakters wegen genannte „Vossberg“
entnommen; der reichen Großhansdorfer Pflanzenwelt tragen – außer den
Waldnamen – die das Gelände Braband durchziehenden Eichenweg, Kastanienweg, Birkenweg und Rotdornweg Rechnung.
Den Großhansdorfer Heimatvertriebenen endlich ist
der Ostpreußenweg gewidmet; mit seinen
schmucken Häusern und Gärten fügt er sich am Westrand des Ortes gefällig ins
Dorf- und Landschaftsbild ein.
Abschließend möge noch einmal das hohe Verdienst der
Behörden hervorgehoben werden, den so einprägsamen Schatz bäuerlicher
Flurnamen, soweit es irgend möglich war, durchgängig für das Verkehrsnetz des
gesamten Großhansdorfer-Schmalenbecker Gemeindegebiets verwertet zu haben, daneben aber auch der ostdeutschen Heimat zu
gedenken. Der für die großen Siedlungsgelände in Betracht kommende Namenbestand
aber ist nunmehr erschöpft, und weitere Altnamen werden deshalb nicht mehr
herangezogen werden können, weil das Landschaftschutzgebiet nördlich des Ortes
Großhansdorf der Landwirtschaft und die Schutzgebiete der Rauhen Berge und des Manhagengeländes dem Wald
vorbehalten sind. Doch auch die bisher verwendeten Namen werden künftigen
Geschlechtern von den im Ganzen geruhsamen Eigenleben zweier alter Dörfer
arbeitsamer niederdeutscher Bauern erzählen sowie das Gedenken an das schwere
Geschicke ostdeutscher Menschen wachhalten.
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